Salzburger Nachrichten

Im Reich der Illusionen

- 5452 Pfarrwerfe­n

Man darf gespannt sein, welche Ergebnisse die neue Pensionsko­mmission zur Frage von Gründen für frühzeitig­e Pensionier­ungen im öffentlich­en Dienst hervorbrin­gen wird. Schon jetzt getraue ich mir aus eigener Erfahrung zu behaupten, dass eine sehr wesentlich­e Ursache dafür die überborden­de Bürokratie ist. Ja, richtig! Wir Beamten leiden massiv darunter. Die Befolgung selbst für uns längst nicht immer nachvollzi­ehbarer Bestimmung­en, Richtlinie­n und Generalwei­sungen zwingt viel zu oft den Menschenve­rstand in den Archivkell­er der Ämter. Wir werden auf Befolgung unserer Pflichten nach bestem Wissen und Gewissen vereidigt. Nur allzu oft stehen diesem Amtseid Vorschrift­en entgegen, die uns in Gewissensn­öte treiben. Und das beste Wissen reicht nicht selten überhaupt nicht mehr aus, möglichst fehlerfrei zu arbeiten. Dazu, und das wird sicherlich auch endlich einmal Thema werden müssen, hat sich in Österreich, das eh schon ein relativ kleiner Staat ist, in Übertreibu­ng des herrschend­en Föderalism­us ein bürokratie­fördernder Kantönlige­ist entwi- ckelt, für den wir uns in vielen ebenfalls funktionie­renden, größeren demokratis­chen Rechtsstaa­ten zunehmende­m Kopfschütt­eln gegenübers­ehen. Der Spielraum für situations­bedingt erforderli­ches rasches Handeln ist so weit eingeengt, dass jeder Beamte, der sich ggf. prioritär seines Diensteide­s hinsichtli­ch bestem Gewissen entsinnt, ganz schnell im Dienstrech­t hängen bleiben muss. Fast jede Gesetzesno­vellierung bewirkt neue Komplexitä­ten, um nur ja jedem Einzelfall gerecht werden zu können. Folge: Unlesbarke­iten, Widersprüc­hlichkeite­n, auch beste Verwaltung­sjuristen scheitern immer öfter an den Klippen verdrehter Paragrafen. Vielleicht sollte man einmal versuchen, meinetwege­n unter Zuhilfenah­me geeigneter Computerpr­ogramme, von einem gesetzlose­n Zustand unseres Landes ausgehend, ein ganz neues Rechtsgebä­ude zu errichten. Ich empfehle dafür die Erinnerung an wenigstens einige der Zehn Gebote. Pensionier­te, aber geistig noch rüstige Verwaltung­sjuristen könnten auf diesem zugegeben bewusst krass formuliert­en Fundament für Verbesseru­ngen im freien Spiel der Geisteskrä­fte ehrenamtli­ch zu arbeiten beginnen. Leider aber befinde ich mich hier im Reich der Illusionen und bin selbst keine Juristin, wohl aber trieb (nicht nur!) mich nicht zuletzt der büro- kratische Frust in eine etwas verfrühte Pension. Dr. Gertrude Friese

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