Im Reich der Illusionen
Man darf gespannt sein, welche Ergebnisse die neue Pensionskommission zur Frage von Gründen für frühzeitige Pensionierungen im öffentlichen Dienst hervorbringen wird. Schon jetzt getraue ich mir aus eigener Erfahrung zu behaupten, dass eine sehr wesentliche Ursache dafür die überbordende Bürokratie ist. Ja, richtig! Wir Beamten leiden massiv darunter. Die Befolgung selbst für uns längst nicht immer nachvollziehbarer Bestimmungen, Richtlinien und Generalweisungen zwingt viel zu oft den Menschenverstand in den Archivkeller der Ämter. Wir werden auf Befolgung unserer Pflichten nach bestem Wissen und Gewissen vereidigt. Nur allzu oft stehen diesem Amtseid Vorschriften entgegen, die uns in Gewissensnöte treiben. Und das beste Wissen reicht nicht selten überhaupt nicht mehr aus, möglichst fehlerfrei zu arbeiten. Dazu, und das wird sicherlich auch endlich einmal Thema werden müssen, hat sich in Österreich, das eh schon ein relativ kleiner Staat ist, in Übertreibung des herrschenden Föderalismus ein bürokratiefördernder Kantönligeist entwi- ckelt, für den wir uns in vielen ebenfalls funktionierenden, größeren demokratischen Rechtsstaaten zunehmendem Kopfschütteln gegenübersehen. Der Spielraum für situationsbedingt erforderliches rasches Handeln ist so weit eingeengt, dass jeder Beamte, der sich ggf. prioritär seines Diensteides hinsichtlich bestem Gewissen entsinnt, ganz schnell im Dienstrecht hängen bleiben muss. Fast jede Gesetzesnovellierung bewirkt neue Komplexitäten, um nur ja jedem Einzelfall gerecht werden zu können. Folge: Unlesbarkeiten, Widersprüchlichkeiten, auch beste Verwaltungsjuristen scheitern immer öfter an den Klippen verdrehter Paragrafen. Vielleicht sollte man einmal versuchen, meinetwegen unter Zuhilfenahme geeigneter Computerprogramme, von einem gesetzlosen Zustand unseres Landes ausgehend, ein ganz neues Rechtsgebäude zu errichten. Ich empfehle dafür die Erinnerung an wenigstens einige der Zehn Gebote. Pensionierte, aber geistig noch rüstige Verwaltungsjuristen könnten auf diesem zugegeben bewusst krass formulierten Fundament für Verbesserungen im freien Spiel der Geisteskräfte ehrenamtlich zu arbeiten beginnen. Leider aber befinde ich mich hier im Reich der Illusionen und bin selbst keine Juristin, wohl aber trieb (nicht nur!) mich nicht zuletzt der büro- kratische Frust in eine etwas verfrühte Pension. Dr. Gertrude Friese