Zeichen stehen auf Hirscher
Die extrem steile Bellevarde in Val d’Isère ist Marcel Hirscher wie auf den Leib geschnitten. Vier Mal hat er hier gewonnen – daher gilt es als logisch, dass er am Sonntag Weltcupführender ist.
VAL D’ISÈRE. Es ist das Meisterstück des Bernhard Russi: Für die Olympischen Winterspiele 1992 hat der Schweizer Pistenbauer auf Wunsch der Organisatoren eine Abfahrt realisiert, die so zuvor noch nie gefahren wurde: vom Rocher de Bellevarde direkt ins Ortszentrum von Val d’Isère hinein. Es ist die einzige Abfahrt, bei der man aus dem Starthaus das Ziel sieht. Hier gewann 1992 Patrick Ortlieb olympisches Gold – und dann wurde es ruhig um diesen extrem spektakulären Hang.
Bis 2009 dort eine ganze WM stattgefunden hat. Zur Probe gastierte schon 2008 der Weltcup hier – und das hatte Folgen: Seither werden alle Weltcuprennen in Val d’Isère auf der Face de Bellevarde gefahren und es gibt einen Läufer, dem dies auf den Leib geschneidert ist: Marcel Hirscher. Hier fuhr er am 12. Dezember 2008 zum ersten Mal auf ein Podest im Weltcup, hier gewann er am 13. Dezember 2009 zum ersten Mal ein Weltcuprennen und wenn es nach der Papierform geht, dann wird er am 13. Dezember 2015 Val d’Isère als neuer Weltcupführender verlassen. 57 Punkte Rückstand hat er aktuell auf Aksel Lund Svindal, doch der Norweger wird nach seiner Viruserkrankung in den USA die Rennen in Frankreich auslassen.
Seit 2009 hat Hirscher hier neun Rennen bestritten, vier davon hat er gewonnen, dazu stehen noch ein zweiter und ein dritter Rang und nur ein Ausfall zu Buche – damit hat er hier statistisch gesehen zwei Drittel seiner Rennen auf dem Podest der besten drei beendet. Das würde auch heuer für die Weltcupführung reichen.
Dass diese Strecke wie gemacht für Hirscher ist, hat seine Gründe: Die Bellevarde ist ungemein steil und durch die exponierte Lage zwischen den Felsen gibt es kaum Gestaltungsmöglichkeit für die Kurssetzer. Das heißt: Es gibt nur kurze und enge Schwünge, die eben Hirscher mehr liegen als dem Rest. So wie Ted Ligety jahrelang in den lang gezogenen Kurven von Beaver Creek dominiert hat, so dominiert eben Hirscher das genaue Gegenteil im Weltcup.
Der Salzburger hat sich nach dem Doppelsieg in den USA drei Tage Pause gegönnt und trainierte zuletzt nur einen Tag auf der Reiteralm, ehe er bereits am Donnerstag nach Frankreich geflogen ist und gestern die Hangbefahrung absolviert hat. Zwar spüre er noch ein bisschen den Jetlag, aber insgesamt fühle er sich gut und sei topmotiviert. „Denn das ist ein Hang, auf dem ich meine Fähigkeiten ausspielen kann.“
Das kann der Franzose Alexis Pinturault nicht, er musste Freitag nach dem Einfahren seinen Start absagen. Die Nachwehen des heftigen Sturzes in Beaver Creek mit Schuhrandprellung und leichter Gehirnerschütterung waren doch noch zu arg.
Hirscher führt in Frankreich ein wieder erstarktes ÖSV-Technikerteam an, in dem zuletzt auch Roland Leitinger mit zwei Laufbestzeiten und Philipp Schörghofer aufzeigen konnten. Im Europacup setzten sich zuletzt Manuel Feller und Marco Schwarz mit Siegen in Szene, beide werden sowohl im Riesentorlauf (Samstag) als auch im Slalom (Sonntag) antreten. Dann beginnt nun auch für die Slalomspezialisten die Saison. Der letzte Winter war in dieser Disziplin geprägt vom Duell Hirscher gegen Felix Neureuther, am Ende setzte sich Hirscher in der Weltcupwertung gegen den Deutschen durch. Bei der WM in Beaver Creek gingen beide leer aus, da behielt im Schneesturm Jean-Baptiste Grange (FRA) den Durchblick.