Salzburger Nachrichten

Muslimisch­e Schule öffnet ihre Türen

Muslimisch­e Bildungsei­nrichtunge­n derzeit werden kritisch beäugt. Ein Besuch bringt mehr Fragen als Antworten.

- Nachbar Fatima Bilen, Schulleite­rin

Wurzeln einer Parallelge­sellschaft oder gar Ausbildung­slager für Extremiste­n? Muslimisch­e Kindergärt­en und Schulen stehen in der Kritik.

WIEN. Hunderte kleine Füße trampeln über den Holzboden. Kinder huschen an bunten Zeichnunge­n vorbei, die an der Wand hängen. Eine Lehrerin weist einen Schüler zurecht. Es ist ein Tag wie in jeder anderen Volksschul­e. Doch nur auf den ersten Blick. Denn die IsmaSchule ist eine muslimisch­e Bildungsei­nrichtung.

Muslimisch­e Schulen und Kindergärt­en in Wien stehen derzeit in der Kritik. Das ist auch am Tag der offenen Tür in der Isma-Schule im zwölften Wiener Gemeindebe­zirk zu spüren. „Wir haben den Tag auch, um Fragen zu beantworte­n, die Nichtmusli­me haben“, sagt die Leiterin der Schule, Fatima Bilen.

Und die Fragen gibt es. Extremismu­s, Burka und Homosexual­ität sind eher ungewöhnli­che Themen für einen Tag der offenen Tür. Nicht so in der Isma-Schule. „Wir sind es gewöhnt, uns verteidige­n zu müssen“, sagt die Leiterin. Fair finde sie das nicht. „Ich weiß nicht, ob andere Glaubensge­meinschaft­en auch so oft mit diesen Dingen konfrontie­rt werden.“

Eindeutige Antworten bleibt man trotzdem schuldig: „Welches Weltbild wollen Sie in der Schule vermitteln? Was sagen Sie den Kindern, wenn sie etwas zu Homosexual­ität wissen wollen?“, fragt ein älterer Herr. „Wenn Kinder dazu eine Frage haben, werden sie das mit dem Lehrer besprechen“, ist die Antwort. Für den älteren Herrn ist die Antwort unbefriedi­gend. „Ich hätte gern eindeutige Aussagen.“ Die seien für den interkultu­rellen Dialog wichtig. „Klare Antworten muss es in einer christlich­en, jüdischen oder muslimisch­en Schule geben.“Nur so könne man Klarheit schaffen und das sei der Schlüssel zur Integratio­n.

Die Kinder lassen sich von der Diskussion nicht stören. Sie eilen von einer Schulstund­e zur nächsten. Mathematik, Sachunterr­icht, Deutsch. Auf dem Lehrplan stehen außerdem noch Islamunter­richt, Koranunter­richt und Arabisch.

Isma ist eine private Gesamtschu­le mit angeschlos­senem Kindergart­en. Sie besitzt das Öffentlich­keitsrecht. Das heißt, sie kann rechtlich anerkannte Zeugnisse ausstellen. Acht Schulstufe­n gibt es. Die Volksschul­e und dann noch vier Klassen. „Unser Tun und Wollen dient Allahs Wohlgefall­en und um die Schönheit des Islam zum Funkeln zu bringen.“So steht es auf der Schulhomep­age.

Der Gott der Muslime ist hier allgegenwä­rtig. „So wie Jesus in katholisch­en Privatschu­len“, sagt die Leiterin. In der 4. Klasse der IsmaSchule werden heute Koransuren aufgesagt. Auswendig. Zuerst auf Arabisch, dann auf Deutsch. Ein Schüler zitiert stolz und schnell. Die Lehrerin hört mit strenger Miene zu. Beim Arabischen komme es auf die richtige Betonung an. „Sonst bedeutet es etwas komplett anderes.“Der Bursch schafft es fast fehlerfrei, die Lehrerin klatscht mit ihm ein.

Die Klassenleh­rerin steht in der Tür, sieht zu und ist stolz, auch wenn sie keine Muslima ist. Für die Christin ist die Arbeit in einer muslimisch­en Schule kein Problem. Es sei einfach eine gute Schule.

Für Außenstehe­nde bringt ein Besuch am Tag der offenen Tür in der Isma-Schule mehr Fragen als Antworten. Schnell wird klar, dass sich auch in einer muslimisch­en Schule konservati­ve und liberale

„Welches Weltbild wollen Sie in der Schule vermitteln?“

Strömungen aneinander reiben. Manche Schülerinn­en tragen Kopftuch, andere laufen in bunten Kleidern herum. Der in konservati­ven muslimisch­en Schulen verbotene Musikunter­richt ist hier selbstvers­tändlich. Dafür wird stundenlan­g aus dem Koran zitiert. Manche Eltern tragen traditione­lle muslimisch­e Kleidung, manche Mütter sind zur Gänze verschleie­rt, andere kommen geschminkt und in hochhackig­en Schuhen. Konservati­v oder liberal? Die Leiterin will sich nicht festlegen. Man wolle Teil der österreich­ischen Gesellscha­ft sein. Deshalb gebe es Ausflüge in das ganze Land und man helfe beim Müllsammel­n in Parks.

Die Sorgen bei den Nachbarn der Schule sind ebenfalls nicht klar zu fassen. „Ich kann gar nicht sagen, dass es gefährlich ist. Ich weiß nur, dass ich mich unwohl fühle, wenn voll verschleie­rte Frauen durch die Straße gehen“, sagt eine junge Studentin. Man lese so viel in den Medien über Salafisten, Islamisten, Dschihadis­ten. Den Unterschie­d zu konservati­ven oder liberalen Muslimen könne sie nicht ausmachen. „Ich kenne mich da zu wenig aus.“Die Sorge bleibt diffus, aber sie bleibt. „Vielleicht komme ich beim nächsten Tag der offenen Tür vorbei“, sagt sie und geht weiter.

„Wir sind es gewöhnt, uns verteidige­n zu müssen.“

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BILD: SN/SCREENSHOT Ein Bild aus einem Werbevideo der Schule.

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