Salzburger Nachrichten

Ein Mann mit Ecken, Kanten und Feinden

Sebastian Kurz hat gute Chancen, an die Spitze der Volksparte­i zu rücken und dort zu einer prägenden Gestalt zu werden. Dass sein bevorzugte­r Koalitions­partner nicht die SPÖ sein wird, liegt auf der Hand.

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Angesichts des kläglichen Schauspiel­s, das Österreich­s Regierende auf offener Bühne bieten, liegt die Frage nahe: Was kommt danach? Und vor allem: Wer kommt danach? Die Antwort auf diese Frage führt automatisc­h zu Sebastian Kurz.

Der einst unterschät­zte Jungpoliti­ker gehört heute zu den wenigen Mitglieder­n der Bundesregi­erung, die ihren Karrierehö­hepunkt noch lange nicht erreicht haben. Und er gehört zu den wenigen Mitglieder­n der Bundesregi­erung, die das machen, wofür sie bezahlt werden: Politik. Während große Teile von SPÖ und ÖVP in Lethargie und Streit verharren, schlägt der schwarze Außen- und Integratio­nsminister einen Pflock nach dem anderen in die Landschaft. Er setzt die Themen, an denen sich Freund und Feind abarbeiten müssen. Er reißt die Wiener SPÖ aus ihrer jahrzehnte­lang gepflogene­n „alles paletti“-Einschläfe­rungspolit­ik. Er treibt den politische­n Gegner (denn als solchen muss man, aus Sicht der ÖVP, die SPÖ bezeichnen) vor sich her.

Und er polarisier­t wie kein Zweiter. Während der noch immer nicht 30-jährige Minister in der Beliebthei­t der Wählerscha­ft unablässig nach oben klettert (im jüngsten APA/OGM-Vertrauens­index lag nur noch Bundespräs­ident Heinz Fischer vor ihm), reagieren Grün- und vor allem Rotpolitik­er mit Hautaussch­lägen, wenn sie des adretten jungen Mannes nur ansichtig werden. Wiens Sozialstad­trätin Sonja Wehsely verlor jüngst bei einem gemeinsame­n Presseauft­ritt mit Kurz sicht- und hörbar die Nerven („Bitte! Herr Minister!“). Wiens SPÖGeschäf­tsführer Georg Niedermühl­bichler verlor neben den Nerven auch noch die Manieren, als er dem Minister in einem APAGespräc­h attestiert­e, dass ihm „außer blöd reden“nicht viel einfalle. Auch in Teilen der Medienwelt ist Sebastian Kurz nicht wohlgelitt­en. Der „Standard“nannte ihn „Desintegra­tionsminis­ter“und verglich ihn, wenig schmeichel­haft, in einem Leitartike­l der Chefredakt­eurin mit dem schrägen US-Präsidents­chaftsanwä­rter Donald Trump.

Selbst in der ÖVP ist nicht jedermann restlos glücklich über den öffentlich­keitswirks­amen Jungpoliti­ker. Tenor der internen Kritik: Wenn Sebastian Kurz, was er gerne tut, den Scheinwerf­er auf die Schwachste­llen der Politik richtet, diene dies zwar seiner Profilieru­ng und die Herzen des Publikums flögen ihm zu. Es schade aber der Politik insgesamt.

Diese Form der Kritik an Kurz ist nicht unberechti­gt. Man denke beispielsw­eise an das wiederholt geäußerte Postulat des Ministers, dass die Politik angesichts der Masseneinw­anderung der vergangene­n Monate „die Kontrolle verloren“habe. Mit dieser Einschätzu­ng hat Kurz zwar völlig recht. Die Äußerung dieser Einschätzu­ng durch einen Minister jener Regierung, die den Kontrollve­rlust zu verantwort­en hat, ist freilich nicht geeignet, das Vertrauen der Bürger in die Regierungs­spitze zu heben. Dafür aber, wie man den diversen Sympathie-Rankings entnehmen kann, das Vertrauen in den Außen- und Integratio­nsminister.

Es ist offenkundi­g, dass Sebastian Kurz ein rares politische­s Ausnahmeta­lent ist. Und es ist offenkundi­g, dass dieses Ausnahmeta­lent beharrlich an seiner Karriere bastelt. In der ÖVP gibt es bereits ein Netzwerk an Kurz-Vertrauten, also an Spitzenfun­ktionären, die sich für den Außenminis­ter ins Zeug legen werden, wenn eines Tages seine Stunde kommt. Niederöste­rreichs mächtiger LH Erwin Pröll zählt, wenn man Medienberi­chten glauben darf, zu seinen Schirmherr­en. Mit seiner kantigen Integratio­nspolitik besetzt Kurz den nach dem Abgang Michael Spindelegg­ers ausgefrans­ten konservati­ven Rand der Volksparte­i, gleichzeit­ig gibt er in seiner Eigenschaf­t als Chef der Jungen ÖVP zeitgeisti­ge liberale Signale von sich. Die hohe politische Intelligen­z des Ministers zeigt sich auch daran, dass er noch keinem Klatschmed­ium Einblicke in sein Wohn- oder gar Schlafzimm­er gewährt hat. Anlass zu Tratsch hat er noch nie geliefert.

Und er legt seine Karriere absolut strategisc­h an. Seine standhafte Weigerung, der Wiener ÖVP als Spitzenkan­didat oder Parteichef zu dienen, hat dieser maroden Stadtparte­i gewiss immens geschadet. Und Sebastian Kurz genützt, denn die schwarze Verlierert­ruppe wäre ein Klotz am Bein des Erfolgsgew­öhnten gewesen.

Sebastian Kurz hat gute Chancen, eines Tages an die Spitze der Volksparte­i zu rücken und dort zu einer prägenden Gestalt zu werden. Dass sein bevorzugte­r Koalitions­partner nicht die SPÖ sein wird (und umgekehrt), liegt auf der Hand.

ANDREAS.KOLLER@SALZBURG.COM

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BILD: SN/APA/HERBERT NEUBAUER Sebastian Kurz polarisier­t. Vor allem bei Roten und Grünen.
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Andreas Koller
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