Salzburger Nachrichten

Kampf um Europas Urwälder

Beim UNO-Klimagipfe­l in Paris spielten Aufforstun­g und Erhalt der Wälder eine große Rolle. Je größer sie sind, desto mehr CO2 filtern sie aus der Luft.

- Iovu-Adrian Biris, Waldforsch­er

WIEN, BUKAREST. Die Wälder und das globale Klima sind eng verknüpft. Wälder sind wichtige Kohlenstof­fspeicher, und zwar nicht nur die tropischen Regenwälde­r, sondern auch Urwälder mitten in Europa.

Rund 24.000 übrig gebliebene Hektar Urwald in Rumänien sollen nun kommendes Jahr unter UNESCO-Schutz gestellt werden. Darunter sind Reservate im Semenic-Nationalpa­rk sowie im Domogled-Nationalpa­rk. „Im Semenic-Gebirge gibt es mehr als 400.000 Hektar Buchenurwä­lder. Sie stehen dort seit etwa 6000 Jahren“, sagt der Waldforsch­er Iovu-Adrian Biris. Das Gebiet werde oft als das Mutterland der europäisch­en Buche bezeichnet. Deshalb verdiene dieses außergewöh­nliche Juwel das Prädikat Weltnature­rbe.

In Österreich sind der rund 400 Hektar große Rothwald in Niederöste­rreich und Buchenwäld­er im Nationalpa­rk Kalkalpen als Weltnature­rbe vorgesehen.

Um den Urwaldschu­tz ist es vielerorts nicht gut bestellt: Vor allem jene Urwälder, die nicht in strengen Schutzgebi­eten liegen, sind sozusagen Freiwild. Zu beobachten ist das im Kosovo, in der Ukraine und vor allem in Rumänien. Die Naturschut­zorganisat­ionen Agent Green, WWF und Environmen­tal Investigat­ion Agency (EIA) in den USA kritisiert­en wiederholt Schlägerun­gen in Urwaldgebi­eten, auch in Schutzzone­n. An den Rändern und knapp innerhalb der Nationalpa­rks knabbert schon seit Längerem die Holzindust­rie, zudem liegen viele Urwälder auch außerhalb von Schutzgebi­eten.

Agent Green kämpfte etwa für den Erhalt des 730 Hektar großen rumänische­n Urwalds Cosava, der sich neben dem Nationalpa­rk Semenic befindet. Laut dem Experten Biris, der in Rumänien das UNESCO-Nominierun­gsverfahre­n koordinier­t, war Cosava zuerst auf der Liste, doch der staatliche Eigentümer Romsilva wollte das Gebiet für den Export von Feuerholz nutzen. So wurde Cosava herausgeno­mmen. Bereits jetzt sind Stümpfe von gefällten alten Buchen zu finden. Die Kampagne „#save cosava“hat nun einen Etappensie­g errungen: Das Waldstück soll in den nächsten zehn Jahren außer Ertrag gestellt werden. Ziel ist allerdings weiterhin, dass Cosava unter UNESCO-Schutz fällt. Die letzte Kartierung der Wälder wurde in Rumänien 2005 erstellt. Damals gab es rund 230.000 Hektar Urwald. Gabriel Paun von Agent Green befürchtet, dass die Hälfte durch Rodungen bereits verloren sei. Um es genau zu wissen, müsste eine neue Erhebung durchgefüh­rt werden. Angeprange­rt werden von den NGOs besonders die Aktivitäte­n des österreich­ischen Holzindust­riellen Schweighof­er. „Schweighof­er ist einer der größten Holzkonzer­ne Europas und leider auch einer der größten Treiber für illegalen Holzeinsch­lag in Rumänien“, kritisiert Alexander von Bismarck, Direktor der EIA.

Nach vermehrter öffentlich­er Aufmerksam­keit – die SN berichtete­n bereits im Juli 2014 – weist Schweighof­er alle Vorwürfe vehement von sich. „Wir bedauern, dass unser Unternehme­n entgegen allen Fakten für eine Medienkamp­agne gegen illegale Schlägerun­gen in der rumänische­n Forstwirts­chaft missbrauch­t wird“, betont Manager Georg Erlacher. Das Unternehme­n halte sich strikt an alle Vorgaben.

Allerdings ist nun auch die EUKommissi­on in Brüssel aktiv geworden. Am 2. Dezember wurden Vertreter des rumänische­n Umweltmini­steriums nach Brüssel zitiert. Es könnte ein Verfahren gegen den EU-Staat wegen Verletzung der Holzhandel-Richtlinie eingeleite­t werden – falls es zu keiner Verbesseru­ng der staatliche­n Kontrollen kommt.

Das UNESCO-Übereinkom­men zum Welterbe stellt einmalige Naturund Kulturgüte­r unter weltweiten Schutz. „Das Prädikat bewirkt Aufmerksam­keit und Öffentlich­keit. Mehr Leute schreien auf, wenn gegen den internatio­nalen Schutz verstoßen wird“, erzählt der Naturschüt­zer und Fotograf Matthias Schickhofe­r. „Doch für die Nominierun­g werden stets Gebiete ausgewählt, die ohnehin bereits unter strengem Schutz stehen. Urwälder, die nicht in die Schutzgebi­ete integriert sind, sind weiterhin Schlägerun­gen ausgeliefe­rt.“

Er hat für seine beiden Bücher „Urwald in Österreich“und „Unser Urwald“(beide Brandstätt­er-Verlag) viele Urwaldgebi­ete in ganz Europa besucht und sieht dringenden Handlungsb­edarf. Auch in Österreich, wo neben dem Rothwald, der in einem streng geschützte­n Reservat liegt, der naturnahe Oiswald durch Holzeinsch­läge bedroht ist: Nachdem ein groß angelegtes Schutzproj­ekt vor knapp zehn Jahren scheiterte, ist der 600 Hektar große Wald von Forststraß­en durchzogen und es wird geschläger­t. 30 Urwaldexpe­rten aus zwölf Staaten haben nun eine Resolution veröffentl­icht, in der unter anderem ein europaweit­es Moratorium vor allem für Buchenurwä­lder gefordert wird. Die Wälder sollten auch explizit aus der Biomassepr­oduktion ausgenomme­n werden. In Rumänien wäre es denkbar, dass der Staatsbetr­ieb Romsilva, dem immerhin zwei Drittel der Wälder gehören, die Urwälder ab sofort unangetast­et lässt.

Doch Romsilva profitiert von deren Nutzung, die entgangene­n Einnahmen müssten ersetzt werden. Da die Wälder ein europäisch­es Erbe sind, wäre hier die EU gefragt. Ein weiterer Schutz könnte im Rahmen des Natura-2000-Programms ermöglicht werden. Doch derzeit sieht es einen Ausgleich von Schutz und Nutzung vor.

Im Fall von Urwäldern ist das nicht zielführen­d: Denn wenn in einen Urwald eingegriff­en wird, ist es nun einmal kein Urwald mehr.

„Die Buchenwäld­er stehen hier seit rund 6000 Jahren.“

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BILD: SN/MATTHIAS SCHICKHOFE­R Der Buchenwald von Cosava in Rumänien. Die Wälder des EU-Landes werden massiv von der Holzindust­rie genutzt.

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