Blaustich für das Ländle
Hohenems, die Vorarlberger Stadt mit jüdischer Geschichte, könnte am Sonntag einen freiheitlichen Bürgermeister bekommen. Widerstand ist nicht zu spüren.
Wenn man dieser Tage durch Hohenems spaziert, kann man sich nur wundern. Wie in jeder anderen Stadt herrscht vorweihnachtliche Geschäftigkeit. Von einem Wahlkampf ist weder etwas zu sehen noch zu hören. Dabei ist der Urnengang, zu dem die Bürgerinnen und Bürger am kommenden Sonntag aufgerufen sind, von überregionaler Bedeutung. Der FPÖ-Politiker Dieter Egger erhält eine zweite Chance, zum Bürgermeister gewählt zu werden. Nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs muss die Stichwahl vom März wegen Unregelmäßigkeiten bei der Wahlkartenausstellung wiederholt werden. Als Herausforderer von Amtsinhaber Richard Amann (ÖVP) hatte sich Egger damals mit 49,2 zu 50,8 Prozent nur knapp geschlagen geben müssen.
Dass der freiheitliche Landesparteiobmann überhaupt so weit kommen konnte, ist bemerkenswert: Hohenems ist die einzige Stadt weit und breit, die über eine jüdische Geschichte verfügt, die heute wieder gepflegt wird. Ein eigenes Museum zeugt davon. Dessen Direktor, Hanno Loewy, hat’s jedoch nicht immer einfach. Ganz im Gegenteil: Nachdem er vor der Landtagswahl 2009 den FPÖ-Slogan „Elterngeld für heimische Familien“kritisiert hatte, wurde er angegriffen. Und zwar von Dieter Egger: Als „Exiljuden aus Amerika in seinem hochsubventionierten Museum“gehe Loewy die österreichische Politik nichts an, erklärte Egger.
Nicht nur Loewy, der im Übrigen nicht aus Übersee, sondern aus Deutschland kommt, sprach daraufhin von einer antisemitischen Äußerung. Auch der damalige Landeshauptmann Herbert Sausgruber (ÖVP) ortete eine indiskutable Grenzüberschreitung und kündigte die seit 1974 währende Koalition mit den Freiheitlichen auf.
Seither hat Egger auf landespolitischer Ebene ein Problem. Da auch Sausgrubers Nachfolger Markus Wallner (ÖVP) nicht an ihm anstreifen möchte, ist er an die Oppositionsbank gefesselt. Will er Regierungsverantwortung übernehmen, bleibt ihm zumindest in Vorarlberg also nur seine Heimatgemeinde. Und das ist Hohenems.
Gemessen an den beschaulichen Verhältnissen, die im Land herrschen, befindet sich die Stadt seit Jahrzehnten in einem Ausnahmezustand. ÖVP-Politiker betreiben fast schon aus Tradition heraus vor allem eines: Selbstbeschädigung. Wenn einer von ihnen als Bürgermeister ein Problem hat, dann meist mit eigenen Parteifreunden. Richard Amann musste heuer etwa zur Kenntnis nehmen, dass ihm sein Amtsvorgänger Christian Niederstetter „Handschlagsqualität, Umsetzungsvermögen und Bürgernähe“absprach und eine Wahlempfehlung für Dieter Egger abgab.
Auch das ist eine Erklärung dafür, dass die Freiheitlichen bei der Gemeinderatswahl im heurigen März 16 Mandate erreichen und damit erstmals die ÖVP (zwölf Mandate) überholen konnten. Bei der Bürgermeister-Stichwahl kam es dann wenig später zum erwähnten Ergebnis. Wobei Egger polarisierte wie kaum ein anderer Vorarlberger Kommunalpolitiker in der jüngeren Vergangenheit: Wieder nahm er sich Hanno Loewy vor. Diesmal versuchte er ihn zu belehren, Entscheidungen würden im Rathaus und nicht „im jüdischen Viertel“getroffen. Gegen Egger selbst trat wiederum eine „Plattform gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus in Vorarlberg“auf, deren prominentester Unterstützer der Schriftsteller Michael Köhlmeier war.
Vor der nunmehrigen Wahlwiederholung ist all das vergessen. Die Chancen, dass sich Bürgermeister Richard Amann noch einmal gegen Egger durchsetzen könne, seien „nicht wahnsinnig groß“, meint der grüne Vizebürgermeister Bernhard Amann. Einen wahrnehmbaren Widerstand gibt es nicht mehr. Die gängigste Erklärung dafür lautet, dass Egger keine Angriffsflächen mehr biete. Tatsächlich hält er sich im Unterschied zu vielen anderen FPÖ-Politikern selbst in der Flüchtlingsdebatte zurück. Vor allem aber hat er sich im April bei Hanno Loewy entschuldigt. Nachdem er damit sechs Jahre lang zugewartet hatte, mag der eine oder andere die Aufrichtigkeit dieses Schritts bezweifelt haben. Entscheidend ist jedoch, dass Loewy die Entschuldigung angenommen hat und sich der Politiker Egger seither auf unverfänglichere Fragen, wie die Stadtentwicklung, konzentriert.
Wird er nun also als Bürgermeister ins Rathaus einziehen? Auffallend viele Hohenemser sehen letz- ten Endes dann doch noch eine offene Frage. Nämlich die, ob Egger seine Anhängerschaft auch als gemäßigter Kandidat mobilisieren kann. Kommenden Sonntag wird es sich weisen.