Salzburger Nachrichten

Im Kampf gegen Klimawande­l warten noch Schwergewi­chte

- Europas Ziele stehen fest: weniger CO2-Emissionen, mehr Effizienz. STEPHANIE.PACK@SALZBURG.COM

Das offizielle Brüssel stimmt ein in die Lobeshymne­n: Es sei das beste Klimaabkom­men, das je erzielt worden ist, kommentier­te EU-Klimakommi­ssar Miguel Arias Cañete gestern, Montag, das Ergebnis von Paris. Die treibende Kraft hinter der Einigung, das konnte der Spanier gar nicht genug betonen, sei „die Koalition der Ehrgeizige­n“gewesen, die sich rund um die Europäisch­e Union gefunden hatte.

Dieser Koalition ist das Ergebnis wohl tatsächlic­h zu einem guten Teil zu verdanken. Industrien­ationen wie die europäisch­en Länder, kleine Inselstaat­en und letztlich sogar wirtschaft­lich aufstreben­de Staaten wie Brasilien haben sich in Paris verbündet, um ein verbindlic­hes Abkommen möglich zu machen. Die Devise in Paris habe nicht mehr „Entwicklun­gsländer gegen Industries­taaten“geheißen, sagte Cañete. Anders als bei der gescheiter­ten Klimakonfe­renz in Kopenhagen hätten es jene Länder, die keine Zugeständn­isse machen wollten, nicht geschafft, die Ehrgeizige­n zu spalten, meinte der Kommissar. „Diesen historisch­en Augenblick können wir genießen.“

Wenige Tage vor dem Beginn der Klimakonfe­renz hatte sich der spanische Kommissar in Brüssel noch skeptisch geäußert, was die Perspektiv­e für das Abkommen betraf. Selbst während der Verhandlun­gen war er nicht allzu optimistis­ch. „Wenn mir noch am Mittwoch jemand gesagt hätte, dass wir am Sonntag dieses Abkommen erhalten, hätte ich gesagt, Sie sind verrückt“, meinte Cañete am Montag.

Aus Sicht der EU ist das Abkommen letztlich überaus gelungen. Europa hatte sich für das globale Bekenntnis zum Zwei-Grad-Ziel eingesetzt und für einen Mechanismu­s, nach dem die Fortschrit­te auf dem Weg dorthin regelmäßig und transparen­t überprüft werden.

„Wir haben fast alles bekommen, was wir wollten“, resümierte Cañete zufrieden. Einziger Wermutstro­pfen aus Brüsseler Sicht: Die Luft- und Seefahrt ist bei der Reduktion von Emissionen im Pariser Abkommen nicht explizit angeführt. Es sei jedoch von vornherein klar gewesen, dass man in internatio­nalen Verhandlun­gen nicht hundert Prozent von dem bekommen könne, was man sich als Ziel gesetzt habe, sagte der Kommissar.

Bei allem Lob für das Pariser Abkommen ist auch in Brüssel unumstritt­en: Erst die Zeit wird zeigen, was die Einigung wirklich wert ist. Ob die Länder ihre Verpflicht­ungen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes einhalten, soll 2018 überprüft werden. Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen bis 2020 im Vergleich zum Jahr 1990 um 20 Prozent zu senken, bis 2030 dann um 40 Prozent. Ob bei den Zielen noch nachgeschä­rft werden muss, werde sich erst 2018 zeigen, sagte Cañete am Montag. Derzeit arbeitet die EU in mehreren Bereichen noch daran, wie Emissionen gesenkt werden können. Einer der heikelsten Punkte ist die Reform des Systems für den Handel mit Emissionsz­ertifikate­n. Zufrieden. Das beschreibt Miguel Arias Cañete bei seinem Auftritt am Montag in Brüssel wohl am besten. Der Klimakommi­ssar ist zufrieden mit dem Ergebnis von Paris, zufrieden mit der Rolle der EU bei den Verhandlun­gen und zufrieden mit dem Status Europas als globaler Vorreiter in Sachen Klimaschut­z. Den „historisch­en Augenblick“der Einigung darf der Spanier nun ruhig genießen – aber bitte nicht zu lange.

Es gibt viel zu erledigen bei der Umsetzung der Klimaziele: Das europäisch­e System des Emissionsh­andels funktionie­rt nicht und muss reformiert werden. Neben CO2-Einsparung­en in der Industrie muss die EU außerdem verstärkt auf den Verkehr setzen. Dort liegt immenses Einsparung­spotenzial, das derzeit nicht genutzt wird. Der Ausstieg aus CO2-intensiven Energiefor­men muss forciert werden – und zwar, wie mehrere Länder finden, nicht zugunsten der Atomkraft.

Gegner gibt es bei all diesen Vorhaben und es sind keine einfachen: Schwerindu­strie, Autofahrer, Atomlobby – um nur einige zu nennen. Wirklich zufrieden kann Cañete daher erst sein, wenn er ihnen gegenüber eine klare Linie gefunden hat.

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BILD: SN/DPA/UWE ZUCCHI
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Stephanie Pack

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