Im Kampf gegen Klimawandel warten noch Schwergewichte
Das offizielle Brüssel stimmt ein in die Lobeshymnen: Es sei das beste Klimaabkommen, das je erzielt worden ist, kommentierte EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete gestern, Montag, das Ergebnis von Paris. Die treibende Kraft hinter der Einigung, das konnte der Spanier gar nicht genug betonen, sei „die Koalition der Ehrgeizigen“gewesen, die sich rund um die Europäische Union gefunden hatte.
Dieser Koalition ist das Ergebnis wohl tatsächlich zu einem guten Teil zu verdanken. Industrienationen wie die europäischen Länder, kleine Inselstaaten und letztlich sogar wirtschaftlich aufstrebende Staaten wie Brasilien haben sich in Paris verbündet, um ein verbindliches Abkommen möglich zu machen. Die Devise in Paris habe nicht mehr „Entwicklungsländer gegen Industriestaaten“geheißen, sagte Cañete. Anders als bei der gescheiterten Klimakonferenz in Kopenhagen hätten es jene Länder, die keine Zugeständnisse machen wollten, nicht geschafft, die Ehrgeizigen zu spalten, meinte der Kommissar. „Diesen historischen Augenblick können wir genießen.“
Wenige Tage vor dem Beginn der Klimakonferenz hatte sich der spanische Kommissar in Brüssel noch skeptisch geäußert, was die Perspektive für das Abkommen betraf. Selbst während der Verhandlungen war er nicht allzu optimistisch. „Wenn mir noch am Mittwoch jemand gesagt hätte, dass wir am Sonntag dieses Abkommen erhalten, hätte ich gesagt, Sie sind verrückt“, meinte Cañete am Montag.
Aus Sicht der EU ist das Abkommen letztlich überaus gelungen. Europa hatte sich für das globale Bekenntnis zum Zwei-Grad-Ziel eingesetzt und für einen Mechanismus, nach dem die Fortschritte auf dem Weg dorthin regelmäßig und transparent überprüft werden.
„Wir haben fast alles bekommen, was wir wollten“, resümierte Cañete zufrieden. Einziger Wermutstropfen aus Brüsseler Sicht: Die Luft- und Seefahrt ist bei der Reduktion von Emissionen im Pariser Abkommen nicht explizit angeführt. Es sei jedoch von vornherein klar gewesen, dass man in internationalen Verhandlungen nicht hundert Prozent von dem bekommen könne, was man sich als Ziel gesetzt habe, sagte der Kommissar.
Bei allem Lob für das Pariser Abkommen ist auch in Brüssel unumstritten: Erst die Zeit wird zeigen, was die Einigung wirklich wert ist. Ob die Länder ihre Verpflichtungen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes einhalten, soll 2018 überprüft werden. Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen bis 2020 im Vergleich zum Jahr 1990 um 20 Prozent zu senken, bis 2030 dann um 40 Prozent. Ob bei den Zielen noch nachgeschärft werden muss, werde sich erst 2018 zeigen, sagte Cañete am Montag. Derzeit arbeitet die EU in mehreren Bereichen noch daran, wie Emissionen gesenkt werden können. Einer der heikelsten Punkte ist die Reform des Systems für den Handel mit Emissionszertifikaten. Zufrieden. Das beschreibt Miguel Arias Cañete bei seinem Auftritt am Montag in Brüssel wohl am besten. Der Klimakommissar ist zufrieden mit dem Ergebnis von Paris, zufrieden mit der Rolle der EU bei den Verhandlungen und zufrieden mit dem Status Europas als globaler Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Den „historischen Augenblick“der Einigung darf der Spanier nun ruhig genießen – aber bitte nicht zu lange.
Es gibt viel zu erledigen bei der Umsetzung der Klimaziele: Das europäische System des Emissionshandels funktioniert nicht und muss reformiert werden. Neben CO2-Einsparungen in der Industrie muss die EU außerdem verstärkt auf den Verkehr setzen. Dort liegt immenses Einsparungspotenzial, das derzeit nicht genutzt wird. Der Ausstieg aus CO2-intensiven Energieformen muss forciert werden – und zwar, wie mehrere Länder finden, nicht zugunsten der Atomkraft.
Gegner gibt es bei all diesen Vorhaben und es sind keine einfachen: Schwerindustrie, Autofahrer, Atomlobby – um nur einige zu nennen. Wirklich zufrieden kann Cañete daher erst sein, wenn er ihnen gegenüber eine klare Linie gefunden hat.