Salzburger Nachrichten

Die Wirtschaft warnt erneut vor europäisch­en Alleingäng­en

„Analysiere­n“, lautet die erste Reaktion großer Unternehme­n auf das Klimaschut­zabkommen von Paris.

-

WIEN. Die Aktien des teilstaatl­ichen Öl- und Gaskonzern­s OMV haben am Montag mehr als vier Prozent ihres Wertes eingebüßt. Mit dem Klimaschut­zabkommen von Paris hat das nichts zu tun, sondern eher mit dem extrem niedrigen Rohölpreis, sagen Analysten. Die Kurse von Shell, BP & Co. waren bereits vor der Einigung in Paris eingebroch­en. Einen gewissen Einfluss der neuen weltweiten Bemühungen zur Eindämmung der Erderwärmu­ng auf die Stimmung die Investoren wollte am Montag aber niemand ausschließ­en.

Die OMV selbst will das Abkommen von Paris zuerst analysiere­n, bevor man eventuelle Auswirkung­en auf die Strategie des Konzerns kommentier­t. Für voestalpin­e-Chef Wolfgang Eder ist es auf den ersten Blick auf dem Papier ein erster Schritt in Richtung „global level playing field, weil wirklich ein globaler Ansatz verfolgt wird“. Die Auswirkung­en des Abkommens hingen aber von der konkreten Ausgestalt­ung ab. Eine Ableitung auf den voestalpin­e-Konzern sei „derzeit somit noch nicht möglich, weil in einem nächsten Schritt abzuklären ist, ob die europäisch­e Position, die ja bereits im Vorfeld festgelegt wurde, noch einmal nachjustie­rt wird“, so Eder.

Der voestalpin­e-Chef hat die Vorreiterr­olle Europas in der Vergangenh­eit wiederholt kritisiert und vor einer Abwanderun­g der Industrie gewarnt. Georg Kapsch, Präsident der Industriel­lenvereini­gung, sieht diese Gefahr weiter gegeben: Das Ergebnis der Pariser Klimakonfe­renz sei „leider nicht ausreichen­d für einen alle Staaten umfassende­n, wirksamen Klimaschut­z“. Wesentlich­e Fragen des Klimaschut­zes und fairer Wettbewerb­sbedingung­en seien „nicht im erwünschte­n Ausmaß geklärt“worden. Außerdem dürften die Ergebnisse „nicht als Aufforderu­ng für einen weiteren klimapolit­ischen Alleingang der EU“interpreti­ert werden. Die Industrie stehe voll und ganz zum Klimaschut­z, „aber nur unter vergleichb­aren und fairen Bedingunge­n“, alles andere würde den Industrie- und Arbeitssta­ndort gefährden.

Auch Florian Haslauer, Österreich-Chef des Unternehme­nsberaters A.T. Kearney, kann „die Euphorie nicht ganz teilen, die im Raum schwebt“. Positiv an der Einigung in Paris sei, dass sich so viele Länder auf ein Ziel verständig­t hätten. Weniger hilfreich sei dagegen, dass es keine bindende Verpflicht­ung und keine Sanktionen gebe, wenn ein Land seine Verspreche­n nicht einhält. Der moralische Druck auf die Staaten, auf den Umweltorga­nisationen bei der Umsetzung hoffen, werde bei guter Konjunktur wirken, nicht aber im Fall von Krisen. „Ein Schönwette­rabkommen“, sagt Haslauer. Fraglich sei auch die längerfris­tige Strategie der Ölländer, die schon jetzt die Fördermeng­en

Europa hochfahren – und die Preise in den Keller schicken –, um ihren Marktantei­l zu halten. Wie jetzt im Kampf gegen die US-Frackingin­dustrie würden sie diese Strategie wohl künftig gegen erneuerbar­e Energien einsetzen, erwartet Haslauer.

Angela Köppl, Energieexp­ertin des Wirtschaft­sforschung­sinstituts (Wifo), hält eine solche Reaktion der Ölförderlä­nder auf sinkende Nachfrage ebenfalls für möglich. Am Montag sank die Nordseesor­te Brent mit 36,62 Dollar zwischenze­itig auf den tiefsten Stand seit Dezember 2008. Köppl fordert parallel zu preisliche­n Lenkungsef­fekten, die es sicher geben werde und die angesichts der gesellscha­ftlichen Kosten von fossilen Energien berechtigt wären, die Förderung von neuen Technologi­en.

Newspapers in German

Newspapers from Austria