Le Pens Partei ist nicht so groß wie befürchtet
Rechtsextreme bleiben Oppositionskraft, die von der Machtausübung ausgeschlossen ist.
Größer konnte die Spannung kaum sein, mit der Frankreich und die Öffentlichkeit im Ausland dem Ausgang der zweiten Runde der Regionalwahlen entgegengesehen haben. Größer konnte aber auch die Überraschung bei der Auszählung der Stimmen nicht sein. Paradox genug: Alle können sich als Gewinner fühlen, die regierenden Sozialisten wie die oppositionellen rechtsbürgerlichen Republikaner oder die rechtspopulistische/rechtsextreme Nationalistenpartei Front National (FN). Alle aber haben auch Niederlagen einstecken müssen.
Ohne den für ihn sonst üblichen Ausdruck des Rechthabers las Nicolas Sarkozy aus dem Wählervotum, laut dem seine Partei, die Republikaner (LR) im Verein mit den Zentristen, landesweit mit 41 Prozent die meisten Stimmen erhielt, eine „Warnung“heraus. Nur in sieben der 13 Regionen – Korsika stellt wegen des starken Anteils der auf Autonomie pochenden Regionalisten einen Sonderfall dar – erreichten LR-Listen die Mehrheit, darunter in der Hauptstadtregion Ile-deFrance, einer langjährigen Hochburg der Sozialisten. Doch nur in der dieser sieben Regionen schafften sie es aus eigener Kraft. In NordPas-de-Calais-Picardie, ProvenceAlpes-Côte-d’Azur (PACA) und im Osten mit dem Elsass verhalfen ihnen Wähler der Linken zum Sieg, die von den Sozialisten zur Stimmabgabe für die Konservativen aufgerufen worden waren, um der Nationalen Front den Weg zu versperren. Zu Triumph ist das kein Anlass.
Einen „Sieg“reklamierte auch Jean-Christophe Cambadélis, der Chef der Sozialisten, aber „ohne Freude“. Die Sozialisten mussten den ihnen von Wahlforschern vorausgesagten Rückschlag einstecken, konnten aber mit einem Stimmenanteil von 30 Prozent den Schaden begrenzen. 2010 hatten sie noch in allen Regionen bis auf eine die Mehrheit gewonnen. Mit fünf Regionen erreichten sie jetzt mehr, als sie nach dem langen Stimmungstief des abgelaufenen Jahres hatten erwarten können.
Die Nationale Front wiederum, deren Aufstieg bereits als unaufhaltsam empfunden worden war, kam jetzt augenscheinlich zum Stehen. Vom vordersten Platz in der ersten Wahlrunde fiel die Partei der Rechtsextremen auf den dritten mit 29 Prozent zurück. Doch mit 6,8 Millionen Stimmen übertrafen sie um rund 200.000 ihr bisher bestes Ergebnis, das Parteichefin Marine Le Pen bei der Präsidentenwahl 2012 erzielt hatte. In keiner Region erlangten sie aber die Mehrheit. Mit Ausnahme einiger Rathäuser, die sie bei den vorigen Gemeindewahlen erobert hat, wird die Nationale Front weiterhin eine von der Machtausübung ausgeschlossene Oppositionspartei bleiben. Dennoch hat Le Pen am Wahlabend von einem „Sieg“gesprochen. Sie sieht sich auf einer „patriotischen Grundwelle“, die sie 2017 zum Sieg bei der Präsidentenwahl führen werde.
Welche Konsequenzen die traditionellen Parteien aus diesem letzten Testlauf vor der Präsidentenwahl in 16 Monaten ziehen werden, ist jetzt die Frage. Der sozialistische Premier Manuel Valls forderte am Wahlabend neue Anstrengungen zur Förderung von Beschäftigung und Berufsausbildung. Den Ruf nach einer politischen Kurskorrektur wies er zurück. LR-Chef Sarkozy will an seiner ideologisch weit rechts verankerten Linie festhalten. Kritiker, die sich gegen die Zurückweisung des Angebots der Sozialisten aussprachen, gemeinsame Sache gegen die Nationale Front zu machen, ließ er kaltstellen. Nur gegen Ex-Premier Alain Juppé, seinen schärfsten Konkurrenten für 2017, ist er machtlos. Der dankte nach der Wahl „allen, die unsere Linie nicht teilen, aber für uns gestimmt haben, um das Schlimmste für Frankreich zu vermeiden“.