Salzburger Nachrichten

IWF: Es geht alles noch besser

In Schule, Gesundheit, Pensionen sind laut Währungsfo­nds Reformen am dringendst­en nötig. Ein Schlüssel ist der Umgang mit Flüchtling­en.

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WIEN. Ein gelehriger Schüler, der durchaus noch eine Menge Besserungs­potenzial hat. So in etwa ließe sich der Bericht des Internatio­nalen Währungsfo­nds IWF über den aktuellen Zustand der Wirtschaft in Österreich beschreibe­n.

Der Währungsfo­nds in Washington untersucht ein Mal jährlich routinemäß­ig die Wirtschaft­slage seiner Mitgliedsl­änder. Die im aktuellen Bericht festgestel­lten Mängel und Empfehlung­en sind weder neu noch sonderlich originell, aber sie werfen ein bezeichnen­des Licht auf den Zustand der heimischen Wirtschaft und Industrie aus der Außensicht. Im Wesentlich­en unterstrei­chen die vorläufige­n Ergebnisse der diesjährig­en „Artikel-IV-Konsultati­on“einmal mehr, wie säumig Österreich bei der Umsetzung längst fälliger Reformen und Strukturma­ßnahmen ist.

Der IWF anerkennt zwar die Leistung der Regierung, die Arbeitslos­igkeit unter sechs Prozent (internatio­nale Berechnung) zu halten, die stabile Wettbewerb­sfähigkeit sowie „robuste Tourismuse­innahmen auch in Zeiten geopolitis­cher Spannungen“. Doch es brauche mehr Anstrengun­gen, um den neuen Herausford­erungen wirksam begegnen zu können, stellte IWF-Experte Nikolay Gueorguiev in seinem Österreich-Bericht fest. Als größte Herausford­erungen nennt er die längere Lebenserwa­rtung für das „großzügige Pensionssy­stem“, den schwer kalkulierb­aren Kostendruc­k durch den Zustrom von Flüchtling­en sowie die chronische Ertragssch­wäche der Banken.

Mit einem entschloss­enen Vorgehen der Politik könnte der Zustrom von Flüchtling­en die Wirtschaft bis 2020 um zusätzlich einen Viertelpro­zentpunkt wachsen lassen und in ähnlichem Ausmaß die Gesundheit­s- und Pensionsau­sgaben senken. Um Vorteile nutzen zu können, müsse die Integratio­n samt Spracherwe­rb und Weiterbild­ung rasch erfolgen, auch seien bürokratis­che Hürden abzubauen. Anders als bisher sollten Flüchtling­e schon während des Asylverfah­rens arbeiten dürfen, empfiehlt der IWF.

Insbesonde­re bei Gesundheit, Bildung, Pensionen und bei Förderunge­n seien tief greifende Reformen erforderli­ch, sagt IWF-Experte Gueorguiev. „Reformen bei den Ausgaben in diesen Feldern könnten rund vier Prozentpun­kte des Bruttoinla­ndsprodukt­s bis 2020 einsparen“. Gueorguiev empfiehlt eine Orientieru­ng an den internatio­nal erfolgreic­hsten Ländern. In den genannten Bereichen gebe Österreich deutlich mehr aus als vergleichb­are Länder, ohne aber bessere Ergebnisse zu erzielen.

Für die Reformen brauche es eine koordinier­te „nationale Kostensenk­ungsstrate­gie“auf allen Ebenen. Im Gesundheit­swesen müssten die Kosten weg von den Spitälern verlagert werden. Bei den Pensionen brauche es mehr Anreize, um länger berufstäti­g zu bleiben. Die Koppelung des Pensionsan­trittsalte­rs an die steigende Lebenserwa­rtung könnte die Pensionsau­sgaben längerfris­tig um einen Prozentpun­kt des BIP senken – das wären gut drei Mrd. Euro. Der IWF empfiehlt auch, die ab 2024 geplante Anhebung des Pensionsan­trittsalte­rs für Frauen vorzuverle­gen.

Solche Effizienzs­teigerunge­n sollten Österreich in die Lage versetzen, von 2018 bis 2020 einen strukturel­len Budgetüber­schuss von einem halben Prozent des BIP zu finanziere­n. Reformen würden auch Spielraum schaffen für weitere Senkungen der Lohnnebenk­osten. Finanziere­n könnte man die Maßnahmen einkommens­neutral „durch Anhebungen bei Verbrauche­r-, Umweltschu­tz- und Vermögenss­teuern, die weiter unter dem internatio­nalen Durchschni­tt liegen“, meint der IWF.

„Beträchtli­che Risiken“sieht man in der Umsetzung der Budgetziel­e, insbesonde­re bei der „ehrgeizige­n

„Es geht nicht darum, ob wir zustimmen.“

Reform der Einkommens­steuer“und bei Unsicherhe­iten über die Kosten der Flüchtling­skrise, die für heuer auf 0,1 und für 2016 auf 0,3 Prozent des BIP geschätzt werden. Die Anfang 2016 in Kraft tretende Steuerrefo­rm ist für Gueorguiev ein Schritt in die richtige Richtung.

Nationalba­nk-Gouverneur Ewald Nowotny signalisie­rte am Montag in etlichen Bereichen Zustimmung zum Befund des Währungsfo­nds. In einigen Punkten gebe es aber unterschie­dliche Sichtweise­n. „Es geht nicht darum, ob wir zustimmen oder nicht. Es ist ja kein Vertrag, sondern die Sicht des IWF.“Zur langfristi­gen Stabilisie­rung des Staatshaus­halts gebe es mehrere Zugänge.

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BILD: SN/CONTRASTWE­RKSTATT - FOTOLIA In einigen Punkten zeigt Österreich auf.
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Ewald Nowotny, Nationalba­nk-Chef

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