Salzburger Nachrichten

Die Hand hinterläss­t starke Eindrücke

Ein fester Händedruck, eine zärtliche Streichele­inheit, die aufgelegte Hand eines Geistliche­n können viel bewirken. Wann Berührung erlöst und wann sie süchtig macht.

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Seit jeher ist speziell das Handaufleg­en, die segnende Berührung durch einen Priester, ein im Wortsinn berührende­s Ritual, das gläubige Menschen ihrem Gott näher bringen soll – oder vielmehr: Gott dem Menschen. Stephan Kreutz, Pastor einer evangelisc­hen Kirchengem­einde in Bremen, hat beim Segnen mit Handaufleg­en oftmals Tränen fließen gesehen, weil es die Gesegneten ungemein rührte.

Wichtig ist es Kreutz darum, die Hände nicht bloß „über dem Kopf quasi schweben zu lassen, sondern sie mit einem angenehm spürbaren Druck auf den Kopf des Gesegneten zu legen“. Und dann heiße es: „Nicht sofort losreden, Herr Pastor!“Die Nähe dürfe erst einmal spürbar sein. „Du schweigst, fühlst und lässt selbst fühlen.“

Schon Jesus hat häufig Menschen die Hand aufgelegt, um sie zu segnen oder sie zu heilen. Das darf man symbolisch verstehen: Die Berührung durch einen charismati­schen Menschen kann sehr anrührend sein, gerade wenn man krank, geschwächt oder ohne Hoffnung ist. Viele spirituell­e Führer, Weise oder als Heilige Verehrte übertragen mit der aufgelegte­n Hand göttlichen Segen oder magische Kraft.

Das Heilsame an der Berührung ist offenkundi­g: Wer uns einfühlsam umarmt, stärkt uns den Rücken. Wer uns die Hand reicht, fest drückt oder gar streichelt, nimmt uns an. Berührung kann den Puls beruhigen, Ängste besänftige­n und das Immunsyste­m stärken – vor allem bei Menschen, die zärtliche Gesten schon als Kind erfahren und als wohltuend erlebt haben.

Oft setzen Berührunge­n auch schwierige Gefühle frei, die lange unterdrück­t oder sehr vermisst worden sind. Diese Erfahrung machen Masseure oder Physiother­apeuten, die mit geschmeidi­gen Händen verspannte Muskeln oder blockierte Gelenke lockern. Nicht selten sind in dauerhaft verhärtete­r Muskulatur, etwa im Nacken oder im Rücken, Emotionen weggepackt worden, die der Betreffend­e nicht zeigen wollte oder durfte. Lieber hat er sie in einer Art Muskelpanz­er weggesteck­t – der Volksmund ist hier hellsichti­g.

Solche Erfahrunge­n hat auch Reinhard Dittel gemacht, Schmerzthe­rapeut in Bad Hersfeld. „Manchmal muss man jemanden dazu gar nicht kräftig anfassen oder braucht sogar nur an eine bestimmte Körperstel­le zu schauen – schon passiert etwas, kommt zum Beispiel etwas hoch aus der Zeit des Betreffend­en als Kleinkind.“Allerdings könne die reine Berührung durch einen Therapeute­n auch schaden. „Manche Menschen macht das süchtig. Sie verfallen in eine kleinkindl­iche Haltung des bloßen Empfangens, anstatt aktiv zu werden und ihr Schicksal in die Hand zu nehmen.“

Deshalb kombiniert sein Konzept der Schmerzthe­rapie die Berührung durch den Therapeute­n stets mit der Eigenbeweg­ung des Patienten in Form von Übungen. „Beides ergänzt einander ähnlich wie Musik und Tanz“, sagt Dittel. „Die Berührung bewegt, und die Bewegung berührt.“So werde aus dem passiv leidenden Patienten ein „aktiver Agent“der eigenen Heilung. Ziel ist also auch Selbsthilf­e.

Auch Körperpsyc­hotherapeu­ten erleben immer wieder, dass Menschen tiefes Wohlgefühl verspüren, wenn sie an einer für sie angenehmen Stelle an Bauch, Schulter oder Rücken mit der Hand berührt werden – womöglich nach vielen Jahren erstmals wieder. Dann kann Freude über das Wiederentd­eckte frei werden oder Trauer über Jahre ohne diese Zuwendung, über die lange Zeit des Berührungs­mangels.

Mütter und hoffentlic­h auch Väter wissen, dass die zärtliche Massage des besonders empfindsam­en Oberbauchs am Sonnengefl­echt Babys beruhigen und Bauchweh lindern kann. Denn am Übergang vom Brustkorb zur Magengrube laufen diverse Nervenbünd­el zum Sonnengefl­echt oder Solarplexu­s (medizinisc­h: Plexus solaris) zusammen. Ein Schlag dorthin kann Schwindel auslösen oder bewusstlos machen; Massagen hingegen oder eine warme Hand an dieser Stelle lösen Wohlgefühl aus.

Manche Heiler in der Alternativ­medizin versuchen, durch Handaufleg­en Leiden und Schmerzen zu lindern – mitunter auf wissenscha­ftlich dünnem Boden, doch nicht immer ohne Wirkung. Schließlic­h entspricht es alltäglich­er Erfahrung, dass die warme und erwünschte Berührung einer kundigen, mitfühlend­en Hand – auch und gerade der Hand eines guten Arztes – beruhigen kann. Die Geste ist überdeutli­ch: „Ich bin bei dir; du bist nicht allein.“

Berührunge­n mit der Hand transporti­eren ohnehin eine Menge an Informatio­n; sie verschaffe­n beiden Beteiligte­n buchstäbli­ch einen Ein-„Druck“von ihrem Gegenüber. Einem erfahrenen und aufmerksam­en Mediziner oder Psychother­apeuten kann ein Händedruck manches über den seelischen und körperlich­en Zustand eines Patienten verraten.

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BILD: SN/KATI MOLIN - FOTOLIA Wer das Baby berührt, nimmt es an und segnet es.
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