Bakterien stoppen Hungergefühl
In Zell- und Tierversuchen zeigten Forscher, wie Darmbewohner arbeiten.
Über das Sättigungsgefühl eines Menschen entscheiden womöglich auch die Bakterien in seinem Darm mit. In Zell- und Tierversuchen zeigten Wissenschafter, dass Escherichia-Coli-Bakterien einige Zeit nach dem Essen Signale aussenden, die auf ähnlichen Wegen wie der Körper ein Sättigungsgefühl hervorrufen.
In den vergangenen Jahren haben Studien gezeigt, dass die Bakterien im Verdauungstrakt einen wichtigen Einfluss auf die menschliche Gesundheit besitzen. So wurde klar, dass einige Bakterienarten wohl Übergewicht fördern oder mit der Entstehung von chronischen Darmentzündungen, Diabetes oder Allergien in Verbindung stehen. Die Forscher um Jonathan Breton vom Institut national de la santé et de la recherche médicale (Inserm) in Rouen untersuchten, ob Darmbakterien, die für ihr Überleben auf den Wirtsorganismus angewiesen sind, auch dessen Hungergefühl beeinflussen. Sie zeigten zunächst in Zellversuchen, dass regelmäßig „gefütterte“E.-Coli-Bakterien etwa 20 Minuten nach der Nahrungsaufnahme in die stationäre Wachstumsphase übergehen. Dies ist etwa der Zeitpunkt, an dem sich nach dem Beginn einer Mahlzeit ein Sättigungsgefühl einstellt. In dieser Phase, in der die Zahl der Bakterien weitgehend konstant bleibt, produzieren die Bakterien nun andere Proteine als in der vorhergehenden exponentiellen Wachstumsphase, in der sie sich stark vermehren, berichten die Forscher. Unter anderem stieg der Gehalt eines ClpB genannten Proteins stark an. Dieses Protein ähnle einem Hormon, das die Sättigung fördere und Hunger unterdrücke, hieß es.
„Wir zeigen, dass Proteine von E. Coli in die gleichen molekularen Pfade involviert sein können, die der Körper nutzt, um Sättigung zu signalisieren“, sagt Studienleiter Serguei Fetissov vom Inserm. „Wir müssen jetzt herausfinden, wie ein verändertes Mikrobiom im Darm diese Physiologie beeinflusst.“„Das sind interessante Experimente“, sagte Michael Blaut vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam zu der Studie. „Aber ich halte die Daten momentan für überinterpretiert.“So hätten die Forscher nicht nachgewiesen, dass es im Darm – und nicht nur in der Zellkultur – zu einer Veränderung der Proteinbildung komme.