Die EU will stärker eingreifen
Zur Sicherung der Außengrenzen schlägt die EU-Kommission einen gemeinsamen Grenzschutz vor. Notfalls sollen überforderte Länder auch gezwungen werden, Hilfe anzunehmen.
Von Jänner bis November diesen Jahres haben 1,5 Millionen Menschen illegal die Außengrenze der EU überquert, viele davon in Griechenland. Um Unterstützung bei der Sicherung der Grenze hat Athen in diesem Zeitraum nicht gebeten. Erst am 3. Dezember ging, auf massiven Druck der Kommission und des Rats, ein Ansuchen in Brüssel ein. Neben Zelten, Medikamenten und Generatoren für die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen bat Griechenland um die Unterstützung der Grenzschutzagentur Frontex.
So lang soll es in Zukunft nicht mehr dauern, bis die EU-Grenzschützer zum Einsatz kommen. Die Kommission hat gestern, Dienstag, einen Vorschlag zum Europäischen Grenz- und Küstenschutz präsentiert. Die derzeitige Agentur Frontex soll mit den Behörden in den Ländern zu einer gemeinsamen Grenzschutzbehörde ausgebaut werden. Hauptverantwortlich für den Schutz der Außengrenzen blieben weiterhin die nationalen Behörden, sie würden aber „verstärkt in einem europäischen Rahmen agieren“, sagte Frans Timmermans, Vizepräsident der Kommission im Europaparlament in Straßburg.
Die EU-Länder würden selbstverständlich ihre souveränen Rechte behalten, meinte auch der für Migration zuständige Kommissar Dimitris Avramopoulos. Dass der Vorschlag in den Hauptstädten umstritten sein wird, ist ihm aber durchaus bewusst. „Er enthält natürlich auch einige heikle Themen“, gestand der Grieche. Denn selbst wenn die Kommission nur von „geteilter Verantwortung“spricht, für die meisten Länder ist das im Falle des Grenzschutzes wohl gleichbedeutend mit geteilter Souveränität.
Tatsächlich können laut Vorschlag die Staaten auch gezwungen werden, Grenzschützer aus anderen EU-Ländern walten zu lassen. In erster Linie soll der gemeinsame Grenz- und Küstenschutz aber Krisen, wie sie derzeit an den EU-Außengrenzen bestehen, verhindern.
Eine neue Agentur soll die Lage überwachen und Risikoanalysen erstellen. Daraus ergeben sich dann Empfehlungen für die Mitgliedsstaaten, wie sie die Außengrenze besser schützen können. Kommen die Länder diesen Empfehlungen nicht nach, können in letzter Konsequenz auch gegen deren Willen die Teams des Europäischen Grenzund Küstenschutzes zum Einsatz kommen, wenn die Kommission sie einberuft. Innerhalb von drei Tagen soll eine solche Schnelleingreiftruppe bereitstehen.
Dazu müssten die EU-Länder künftig mindestens 1500 Grenzschützer auf Abruf bereitstellen können. Derzeit fragt Frontex im Bedarfsfall bei den Staaten um Personal an. In der laufenden Krise hatte die Grenzschutzagentur beispielsweise knapp 750 Leute angefragt, die volle Kopfzahl ist aber bis heute nicht aus den Mitgliedsstaaten entsandt worden.
Nicht nur aus Sicht der Kommission gelingt es derzeit nicht, die Außengrenzen der EU ausreichend zu schützen. Im gemeinsamen Schengenraum sei das ein Thema von gemeinsamem Interesse, rechtfertigte Timmermans den aktuellen Vorschlag. Aus Kommissionskreisen hieß es am Dienstag, Frankreich und Deutschland würden die Kommission unterstützen. Wie groß der Widerstand ist, wird sich morgen, Donnerstag, beim EU-Gipfel zeigen.