Ein Fingerzeig in die Vollendung
Im Finale des Restaurierens der Salzburger Kollegienkirche wird ein besonderes barockes Wechselspiel erneuert.
Der goldene Handschuh, der lose das Handgelenk umspielt und Ton in Ton mit Schuhen, Mitra und Mantel schimmert, ist fleckig geworden. Der Ring ist dem feinen Herrn sogar vom Finger gebrochen. Der abgeschabte Marmorboden zu seinen Füßen erinnert an die schändliche Zeit, als bayerisch-französische Soldaten hier in der Salzburger Kollegienkirche offene Feuer gemacht und diesen Prachtbau Johann Bernhard Fischer von Erlachs als Lazarett, Stall und Heulager benutzt haben, bevor er 1810 wieder als Gotteshaus eingeweiht werden sollte.
Die elegante Hand auf dem Buch gehört dem heiligen Burkhard. Er flankiert mit Isidor jenen Altar, der Thomas von Aquin, dem Fakultätsheiligen der Theologen, gewidmet ist. An das Altarbild von Johann Georg Bergmüller, an die Skulpturen von Joseph Anton Pfaffinger und die gemalten Fassungen von Peter Paul Perwanger – alles Meister des bayerischen und Salzburger Barock – legen die Restauratorinnen der Firma Neubauer aus Bad Endorf noch in dieser Woche Hand an. Für sie beginnt erst vor Weihnachten die Winterpause, da die Temperatur in einem so großen, so dick gemauerten Innenraum mit einigen Wochen Verzögerung winterlich wird.
Und doch drängt für sie die Zeit. Bis Juni 2016 – also bis Probenbeginn der Salzburger Festspiele – sollen sie die letzte große Etappe der Sanierung der Kollegienkirche mit den Pendants zu jenem Altar bewältigt haben, mit dem das Jahrhundertwerk vor gut einem Jahrzehnt begonnen hat. Damals wurde die Ivo-Kapelle – für den Patron der Juristen – mustergültig hergerichtet. Nun, nachdem Innen- und Außen- mauern, Stuckglorie und Hochaltar sowie die beiden großen Seitenaltäre saniert sind, beginnt das Finale mit den drei kleinen Seitenaltären – für Thomas, Lukas (Medizin) und Katharina (Philosophie).
Anders als in der Ivo-Kapelle werden diese drei Altäre nicht strahlend neu wirken. Zum einen ist das von Bundesdenkmalamt, Erzdiözese und privaten Mäzenen gewährte Budget für derart großen Aufwand zu knapp. Zum anderen sei es nun das Ziel, den „überkommenen Zustand mit alten Restaurierungen zu respektieren“, sagt Projektleiterin Elisabeth Wahl von der Firma Monumentum.
Die Salzburger Landeskonservatorin Eva Hody erläutert: „Alles, was im Gesamteindruck nicht stört, bleibt Fehlstelle.“So werden eine fehlende geschnitzte Rose oder ein abgebrochenes Blatt nicht ersetzt; und Burkhard bekommt keinen neuen Ring. Während also der IvoAltar noch immer wie neu prangt, werden seine drei Pendants als alt gewordene, behutsam restaurierte Barockensembles erscheinen.
Dabei holen die Restauratorinnen einen aparten Effekt zurück. Fischer von Erlach hätte diese von ihm unvollendet gebliebene Kirche zum strengen Weiß der Wände mit Stein ausgestattet, berichtet Christian Wallisch-Breitsching von der Universitätspfarre. Für den Hochaltar hätte Fischer von Erlach einen steinernen Tabernakel vorgesehen, wovon eine Skizze erhalten sei.
Doch die zwei bis vier Jahrzehnte später mit den Altären beauftragten Künstler haben die Steinmaserungen nur imitiert. „Alles, was nach Stein aussieht, ist Holz“, erklärt Eva Hody. Erstaunlicherweise sind manche Flächen matt, manche hingegen glänzend lackiert. „Das ist für die Fernwirkung gemalt“, sagt Eva Hody. Und Elisabeth Wahl ergänzt: Diese Malerei „ist auf Effekt aus“, wirke allerdings fast unbewusst.
Das Wechselspiel zwischen matt und glänzend wird wiederhergestellt – wenigstens im oberen Teil des Thomas-Altars, wo die barocke Farbgebung erhalten ist. Im unteren Teil wurde sie in den 1860er-Jahren übermalt, was mangels Geld wie Wissen über den Zustand des Originalgrunds beibehalten wird.
Auch wenn Mitte 2016 alle Altäre restauriert sein sollten, gibt es in der Kollegienkirche noch immer wunde Stellen, insbesondere an den zwölf Nischenheiligen in Thomas-, Lukas- und Katharinenkapelle. Diese sind von Holzwürmern so arg durchlöchert, dass es die Restauratoren nicht wagen, den Staub abzuwischen. Theresa hat eine Hand verloren, die nun neben ihr auf dem Sockel liegt. Martin ist das Schwert abgefallen, sodass er seinen Mantel nicht teilen kann. Der zierliche Vorfuß Gertruds, Nachbarin des Burkhard, ist abgebrochen.
Schmutzig und geschunden warten sie alle auf Geldgeber, also Paten und Spender. Und auch sonst ist in der Kollegienkirche noch einiges zu restaurieren und zu finanzieren, wie Holzschnitzereien an Beichtstühlen und Türen, Metallbeschläge sowie die Mauracher-Orgel.