Salzburger Nachrichten

Der Hipster ist Trendsette­r und Feindbild in einem

- Philipp Ikrath, Die Hipster, Trendsette­r und NeoSpießer, 206 Seiten, Promedia, Wien 2015.

WIEN. Der Hipster ist aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenke­n und beherrscht seit geraumer Zeit auch die Werbung. Er trägt einen nachlässig wirkenden, aber meist mit Sorgfalt gepflegten Vollbart und statt einer Tasche einen Jutebeutel, der mit einem Slogan wie „Mehr Sonntag“oder „Selber Hipster“bedruckt ist. Er weiß Bescheid über neueste Popkultur und über gesunde Ernährung. Er ist ständig auf der Suche nach Neuem.

Der Wiener Soziologe und Jugendkult­urforscher Philipp Ikrath hat dem „jungen, stilbewuss­ten, modischen, individual­istischen Angehörige­n der akademisch­en Mittelschi­chten, wohnhaft in den innenstadt­nahen Altbauvier­teln der Großstädte“eine Abhandlung gewidmet. „Die Hipster – Trendsette­r und Neo-Spießer“ist eine Beschreibu­ng der modernen urbanen Spezies und lässt sich zugleich als Verteidigu­ng des Hipsters gegen seine Kritiker lesen.

Denn ein Sympathiet­räger ist der Hipster nicht. Es heißt, er sei für steigende Mietkosten mitverantw­ortlich und treibe die Gentrifizi­erung voran. Denn Hipster sind in der Regel gut ausgebilde­te junge Menschen, aber noch ohne großes Einkommen. So suchen sie sich Wohnungen in wenig prestigetr­ächtigen Stadtviert­eln. Dann eröffnen sie dort coole Läden und Cafés – bis das Viertel irgendwann selbst hip ist und auch Leute mit mehr Geld anzieht. Bald steigen die Mieten in der Gegend.

Für den wendigen Hipster ist das kein Problem. Er zieht weiter und macht das nächste graue Viertel bunter. Auch wenn das auf Kosten der seit Jahrzehnte­n oder Generation­en vor Ort lebenden Bevölkerun­g gehen kann.

Ein weiterer Vorwurf gegen den Hipster ist der der Pseudoindi­vidualität: „Der Hipster hält sich etwas auf seine Individual­ität zugute, dabei sieht er nicht einmal mehr, wie konform er sich eigentlich verhält. Letztlich tritt er genau gleich auf wie alle anderen Hipster zwischen Berlin und Portland.“

Warum bekommt der Hipster so viel Spott und Hass ab, während andere Jugendkult­uren von Hip-Hop bis Metal lediglich belächelt werden? Philipp Ikraths Erklärung: Der Hipster verkörpere perfekt unsere Zeit. Wer gegen ihn sei, drücke damit sein Unbehagen gegen unsere Gegenwart aus.

Zum ersten Mal tauchte der Begriff „Hipster“1957 im Essay „The White Negro“von Norman Mailer auf. Mailers Hipster ist ein junger Rebell, der sich außerhalb der Gesellscha­ft positionie­rt und sich von der Masse abhebt, indem er afroamerik­anisch geprägte Jazz- und Swingmusik hört.

Ein treffender Kritikpunk­t am zeitgenöss­ischen Hipster wäre denn auch, dass vom einstigen rebellisch­en Potenzial nichts übrig ist. Er ist politisch desinteres­siert, ändert höchstens sein FacebookPr­ofilbild, um sein Mitgefühl mit Terroropfe­rn auszudrück­en. Für politische­s oder soziales Engagement ist der Hipster zu sehr mit sich selbst beschäftig­t.

Buch:

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