Der Hipster ist Trendsetter und Feindbild in einem
WIEN. Der Hipster ist aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken und beherrscht seit geraumer Zeit auch die Werbung. Er trägt einen nachlässig wirkenden, aber meist mit Sorgfalt gepflegten Vollbart und statt einer Tasche einen Jutebeutel, der mit einem Slogan wie „Mehr Sonntag“oder „Selber Hipster“bedruckt ist. Er weiß Bescheid über neueste Popkultur und über gesunde Ernährung. Er ist ständig auf der Suche nach Neuem.
Der Wiener Soziologe und Jugendkulturforscher Philipp Ikrath hat dem „jungen, stilbewussten, modischen, individualistischen Angehörigen der akademischen Mittelschichten, wohnhaft in den innenstadtnahen Altbauvierteln der Großstädte“eine Abhandlung gewidmet. „Die Hipster – Trendsetter und Neo-Spießer“ist eine Beschreibung der modernen urbanen Spezies und lässt sich zugleich als Verteidigung des Hipsters gegen seine Kritiker lesen.
Denn ein Sympathieträger ist der Hipster nicht. Es heißt, er sei für steigende Mietkosten mitverantwortlich und treibe die Gentrifizierung voran. Denn Hipster sind in der Regel gut ausgebildete junge Menschen, aber noch ohne großes Einkommen. So suchen sie sich Wohnungen in wenig prestigeträchtigen Stadtvierteln. Dann eröffnen sie dort coole Läden und Cafés – bis das Viertel irgendwann selbst hip ist und auch Leute mit mehr Geld anzieht. Bald steigen die Mieten in der Gegend.
Für den wendigen Hipster ist das kein Problem. Er zieht weiter und macht das nächste graue Viertel bunter. Auch wenn das auf Kosten der seit Jahrzehnten oder Generationen vor Ort lebenden Bevölkerung gehen kann.
Ein weiterer Vorwurf gegen den Hipster ist der der Pseudoindividualität: „Der Hipster hält sich etwas auf seine Individualität zugute, dabei sieht er nicht einmal mehr, wie konform er sich eigentlich verhält. Letztlich tritt er genau gleich auf wie alle anderen Hipster zwischen Berlin und Portland.“
Warum bekommt der Hipster so viel Spott und Hass ab, während andere Jugendkulturen von Hip-Hop bis Metal lediglich belächelt werden? Philipp Ikraths Erklärung: Der Hipster verkörpere perfekt unsere Zeit. Wer gegen ihn sei, drücke damit sein Unbehagen gegen unsere Gegenwart aus.
Zum ersten Mal tauchte der Begriff „Hipster“1957 im Essay „The White Negro“von Norman Mailer auf. Mailers Hipster ist ein junger Rebell, der sich außerhalb der Gesellschaft positioniert und sich von der Masse abhebt, indem er afroamerikanisch geprägte Jazz- und Swingmusik hört.
Ein treffender Kritikpunkt am zeitgenössischen Hipster wäre denn auch, dass vom einstigen rebellischen Potenzial nichts übrig ist. Er ist politisch desinteressiert, ändert höchstens sein FacebookProfilbild, um sein Mitgefühl mit Terroropfern auszudrücken. Für politisches oder soziales Engagement ist der Hipster zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
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