Zellen des Nervensystems stören das Gedächtnis
Bei Multipler Sklerose und anderen Entzündungen des Gehirns beeinträchtigen Astrozyten die Erinnerungsfähigkeit.
Bei Multipler Sklerose und anderen Entzündungen des Gehirns sind die kognitiven Fähigkeiten eingeschränkt. Forscher der Universitäten Zürich und Lausanne konnten nun zeigen, dass dafür die Astrozyten – spezielle Nervenzellen – verantwortlich sind.
Dass Gehirnentzündungen die kognitiven Funktionen beeinträchtigen, so etwa bei Autoimmunerkrankungen wie der Multiplen Sklerose (MS) oder bei Alzheimer, wird vermutet. Bis heute konnte aber nicht lückenlos bewiesen werden, dass kognitive Einschränkungen die direkte Folge der Entzündung sind. Andrea Volterra von der Universität Lausanne hat nun zusammen mit Tobias Suter, Adriano Fontana und Christopher Pryce von der Universität Zürich bei Mäusen das fehlende Bindeglied identifiziert: es sind die Astrozyten, ein Zelltyp des Nervensystems. Die Wissenschafter haben entdeckt, dass Astrozyten die Entzündung „fühlen“und direkt die neuronalen Verbindungen der Gedächtnisbildung so beeinflussen, dass Defizite entstehen.
Astrozyten machen etwa die Hälfte unserer Gehirnmasse aus. Obwohl man sie schon lang kennt, weiß man noch viel weniger über sie als über Neuronen. Astrozyten, Oligodendrozyten und Mikroglia, zusammengefasst Glia-Zellen, beinflussen ständig die Aktivität der Neuronen. Viele Hirnerkrankungen haben ihren Ursprung nicht in defekten Neuronen, sondern in der mangelhaften Interaktion zwischen Neuronen und GliaZellen. Während Glia-Zellen normalerweise eher versuchen würden, die Funktionen der Neuronen zu bewahren, zeigt die neue Studie nun, dass Astrozyten während einer Entzündung die Funktion der Neuronen beeinträchtigen.
Der Neurobiologe Andrea Volterra erklärt das: „Die Astrozyten spüren das Zytokin TNF, einen Botenstoff der Entzündung und senden daraufhin ein Signal an die Neuronen.“Im gesunden Hirn ist die Konzentration von TNF sehr niedrig und die Astrozyten unterstützen die Aktivität der Neuronen. Tritt im Hirn aber eine Entzündung auf, wie im Fall von MS oder einer Infektion, nimmt die Menge an TNF stark zu und die Astrozyten reagieren darauf mit einer Veränderung der neuronalen Funktion. Geschieht dies in Bereichen des Gehirns, die für das Gedächtnis zuständig sind, beeinträchtigt dies die Speicherung von Informationen und somit die Erinnerungsfähigkeit.
Die neuen Erkenntnisse sind relevant, weil die Forscher spezifische Rezeptoren identifizieren konnten, die im Krankheitsverlauf wichtig sind. Es besteht nun die Möglichkeit, diese Rezeptoren mit Medikamenten zu blockieren, um den schädlichen Mechanismus zu unterbinden. Die Hoffnung ist, dass sich damit die kognitiven Beeinträchtigungen mildern lassen.