Der lange Weg zum eiligen „Raabschied“
Früher war er der umstrittenste Entertainer im deutschen TV. Dann wurde er der erfolgreichste. Daraus zieht Stefan Raab nun Konsequenzen.
SALZBURG. Hätte sich jemand gewundert, wenn er zum Abschluss auch noch bei der Kür zum „Wort des Jahres“gewonnen hätte? Wohl kaum. Der Begriff geistert immerhin seit Sommer durch die deutschsprachigen Medien. Und je näher das lang angekündigte Ereignis rückt, desto öfter ist derzeit wieder vom „Raabschied“zu lesen. Am 17. Juni hatte Stefan Raab überraschend publik gemacht, dass er sich mit Jahresende als Entertainer aus dem TV-Geschäft zurückziehen werde. Jetzt ist es so weit. In zwei Etappen verschwindet Stefan Raab von der Bildfläche. „Schluss. Aus. Vorbei“heißt es auf der Internetseite des Privatsenders Pro7 an der Stelle, wo sonst die Inhaltsangaben zu Raabs Late-Show „TV total“standen. Zum letzten Mal geht sie am heutigen Mittwoch auf Sendung. Teil zwei des Abschieds folgt am Samstag beim letzten „Schlag den Raab“. Beide Shows haben eines gemeinsam: Sie waren auf einen Macher zugeschnitten, für den Berührungsängste und Schmerzempfinden zumindest vor der Kamera immer Fremdworte waren.
Vor allem „TV total“, das zunächst im Fahrwasser von Harald Schmidts Late-Night-Show startete, entpuppte sich früh als ideales Podium für einen, der gern gegen alle TV-Konventionen anrennt. Dabei konnten glorreiche TV-Momente herauskommen, etwa wenn er, mit einer Ukulele bewaffnet, den verdatterten AC/DC-Helden Angus Young in dessen Hotelzimmer interviewte. Nicht selten waren umgekehrt auch Klagen die Folge, wenn Raab seine Scherze mit Opfern trieb, indem er etwa ihre unbedarften Auftritte aus dem Sumpf der Privat-TV-Kanäle fischte und sie wieder und wieder ausschlachtete.
Doch „TV total“machte den gelernten Metzger und einstigen Werbesongproduzenten nicht bloß zum umstrittenen Revoluzzer. Schnell wurde der Moderator mit dem süffisanten Grinsen zum erfolgreichsten TV-Macher Deutschlands. Die Lobesreden bei TV-Preisen (Grimmepreis inklusive) begannen die Beschwerden zu übertönen. Mit Großmäuligkeit allein hätte das kaum funktioniert. Es funktionierte, weil Raab sogar aus der Gewissheit, Schläge einstecken zu müssen, einen TV-Event machen konnte: 7 Mill. Zuseher und eine gebrochene Entertainernase wurden gezählt, als er 2001 gegen Weltmeisterin Regina Halmich in den Boxring stieg.
Auf das schnelle Erfinden neuer Formate muss er als Produzent freilich auch nach seinem Rückzug vom Bildschirm nicht verzichten. Es schien ihm immer besser zu liegen als das Verwalten der eigenen Dauerfernsehsendungen. Demonstriert hat er das mit Ideen zwischen WokWM, Turmspringen und Bundesvision Songcontest. Nebenbei hat er auch den echten Songcontest (mit Lena Meyer-Landrut) geknackt oder Kanzlerduelle moderiert. „TV total“wurde unterdessen mit mehr als 2200 Folgen die langlebigste Late-Show im deutschen TV. Eine fortschreitende Showmüdigkeit war der Raab-Parade da schon anzusehen. Ob sie ein Grund für den Rückzug wurde? Auch das ist seit 17. Juni ein beliebtes Spekulationsthema. Raab selbst hält sich über seine Motive bedeckt, wie er auch sein Leben abseits der Kamera gut abschirmt (siehe: Berührungsängste).
Unermüdlich gab sich der 49Jährige indes in den bisher 142.692 Sendeminuten von „Schlag den Raab“. Als Zehnkämpfer der deutschen TV-Unterhaltung erhob er seinen Ehrgeiz zum wichtigsten Inhalt der Spieleshow. In Disziplinen wie Autoball oder Tiere riechen fordert er Kandidaten zum Duell. Der eigene Spieltrieb aber habe auf lange Sicht auch zum Problem werden müssen, konstatiert „Der Spiegel“. Raabs Erfolgsprinzip sei es gewesen, sich stets selbst zu übertreffen. Das aber „war nun nur noch durch einen überraschenden Abgang möglich“. Ähnliches erläuterte Raab jüngst bei seiner Dankesrede zum Deutschen Comedypreis: „Die vergangenen 22 Jahre waren wie ein Rausch. Irgendwann muss’ [es] mal gut sein.“Nur, dass sein Rückzug nun erneut von Klagen begleitet ist, ist kein Showkonzept. Die Firma Brainpool, die Raabs Shows produzierte, hat nach dem angekündigten Rückzug des Entertainers heuer 80 Mitarbeitern gekündigt. Zwei Kündigungen hat ein Gericht inzwischen wieder aufgehoben.
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