Ein Staat, der seinen Bürgern nicht traut
Die Abschaffung der Amtsverschwiegenheit steht unter dem Motto: Alles soll transparent werden. Mit Ausnahme von allem.
In Österreich hat die Staatsgewalt seit vielen Jahrzehnten ein probates Instrument gegen auskunftheischende Bürger: die Amtsverschwiegenheit, auch Amtsgeheimnis genannt. Dieses Instrument dient dem Staat dazu, die Untertanen im Dunkeln tappen zu lassen. Beispielsweise einen Journalisten, der wissen will, wie viel schädliche Neonicotinoide auf Österreichs Feldern verteilt werden. Oder einen Studenten, der Auskünfte über die Drop-out-Raten bei Medizinstudenten haben will. Oder einen Bürger, der nachfragt, bis wann die Bezirksvertretungen ihre Stellungnahme zur Änderung von Flächenwidmungsplänen abgeben müssen. Sie alle, und Tausende andere, erhielten keine Auskunft. Amtsgeheimnis!
Es ist daher zu begrüßen, dass sich die Regierung nach jahrzehntelangem Zögern entschlossen hat, die Amtsverschwiegenheit durch ein modernes Informationsfreiheitsgesetz zu ersetzen. Und an der Tatsache, dass das geplante Inkrafttreten der Informationsfreiheit im Lauf der Legislaturperiode stillschweigend von 2016 auf 2018 verschoben wurde, soll nicht herumgemäkelt werden. Gut Ding braucht Weile.
Wenn es denn ein gut Ding wäre, das hier als Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz vorgelegt wurde. Doch das ist entschieden nicht der Fall. Nach einem Jahr der intensiven Diskussion, und nachdem auch noch die Wünsche sämtlicher Bundesländer berücksichtigt wurden, verdient die geplante Informationsfreiheit diesen Namen nicht mehr. Die Ausnahmen von der staatlichen Informationspflicht sollen derartig mannigfaltig sein, dass es sich in Wahrheit um eine Fortschreibung der alten, angejahrten Amtsverschwiegenheit handelt, die wie eine Käseglocke über diesem Staat liegt. Es reicht schon, dass durch die Transparenz die „Vorbereitung einer (staatlichen) Entscheidung“gestört werden könnte; oder dass die Information den wirtschaftlichen Interessen eines Bundeslandes zuwiderlaufen könnte: Und schon kann die befragte Behörde, wie ehedem, mit Berufung auf das gute alte Amtsgeheimnis die Auskunft verweigern. Eine unabhängige Beschwerdeinstanz ist nicht vorgesehen. Das Motto der findigen Gesetzesschmiede lautete offenkundig: Alles soll transparent werden. Mit Ausnahme von allem.
Verleger, Journalisten und NGO laufen Sturm gegen die Informationsfreiheit, die keine ist. Dieser Gesetzesentwurf ist Sinnbild für einen Staat, der seinen Bürgern nicht traut. Und der den Grundsatz „Wissen ist Macht“nicht auf seine Bürger angewandt wissen will.