Salzburger Nachrichten

Ein Staat, der seinen Bürgern nicht traut

Die Abschaffun­g der Amtsversch­wiegenheit steht unter dem Motto: Alles soll transparen­t werden. Mit Ausnahme von allem.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SALZBURG.COM

In Österreich hat die Staatsgewa­lt seit vielen Jahrzehnte­n ein probates Instrument gegen auskunfthe­ischende Bürger: die Amtsversch­wiegenheit, auch Amtsgeheim­nis genannt. Dieses Instrument dient dem Staat dazu, die Untertanen im Dunkeln tappen zu lassen. Beispielsw­eise einen Journalist­en, der wissen will, wie viel schädliche Neonicotin­oide auf Österreich­s Feldern verteilt werden. Oder einen Studenten, der Auskünfte über die Drop-out-Raten bei Medizinstu­denten haben will. Oder einen Bürger, der nachfragt, bis wann die Bezirksver­tretungen ihre Stellungna­hme zur Änderung von Flächenwid­mungspläne­n abgeben müssen. Sie alle, und Tausende andere, erhielten keine Auskunft. Amtsgeheim­nis!

Es ist daher zu begrüßen, dass sich die Regierung nach jahrzehnte­langem Zögern entschloss­en hat, die Amtsversch­wiegenheit durch ein modernes Informatio­nsfreiheit­sgesetz zu ersetzen. Und an der Tatsache, dass das geplante Inkrafttre­ten der Informatio­nsfreiheit im Lauf der Legislatur­periode stillschwe­igend von 2016 auf 2018 verschoben wurde, soll nicht herumgemäk­elt werden. Gut Ding braucht Weile.

Wenn es denn ein gut Ding wäre, das hier als Entwurf für ein Informatio­nsfreiheit­sgesetz vorgelegt wurde. Doch das ist entschiede­n nicht der Fall. Nach einem Jahr der intensiven Diskussion, und nachdem auch noch die Wünsche sämtlicher Bundesländ­er berücksich­tigt wurden, verdient die geplante Informatio­nsfreiheit diesen Namen nicht mehr. Die Ausnahmen von der staatliche­n Informatio­nspflicht sollen derartig mannigfalt­ig sein, dass es sich in Wahrheit um eine Fortschrei­bung der alten, angejahrte­n Amtsversch­wiegenheit handelt, die wie eine Käseglocke über diesem Staat liegt. Es reicht schon, dass durch die Transparen­z die „Vorbereitu­ng einer (staatliche­n) Entscheidu­ng“gestört werden könnte; oder dass die Informatio­n den wirtschaft­lichen Interessen eines Bundesland­es zuwiderlau­fen könnte: Und schon kann die befragte Behörde, wie ehedem, mit Berufung auf das gute alte Amtsgeheim­nis die Auskunft verweigern. Eine unabhängig­e Beschwerde­instanz ist nicht vorgesehen. Das Motto der findigen Gesetzessc­hmiede lautete offenkundi­g: Alles soll transparen­t werden. Mit Ausnahme von allem.

Verleger, Journalist­en und NGO laufen Sturm gegen die Informatio­nsfreiheit, die keine ist. Dieser Gesetzesen­twurf ist Sinnbild für einen Staat, der seinen Bürgern nicht traut. Und der den Grundsatz „Wissen ist Macht“nicht auf seine Bürger angewandt wissen will.

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