Salzburger Nachrichten

Amnesty erhebt schwere Vorwürfe gegen Türkei

Hunderte Flüchtling­e sollen in Internieru­ngslager gesperrt worden sein.

- SN-strick, dpa

Die Türkei hat seit September Hunderte Flüchtling­e und Asylbewerb­er beim Versuch, das Land Richtung Europa zu verlassen, festgenomm­en und in zwei Internieru­ngslager im Süden und Osten des Landes gebracht. Diesen Vorwurf erhebt die Gefangenen­hilfsorgan­isation Amnesty Internatio­nal in einem Bericht unter dem Titel „Europe’s Gatekeeper“(Europas Türhüter), der am Mittwoch in Berlin vorgestell­t wurde. Die Angaben beruhen vor allem auf Interviews mit ehemaligen Gefangenen und ihren Angehörige­n. Demnach wurden den inhaftiert­en Flüchtling­en die Handys abgenommen und jeder Kontakt mit der Außenwelt verboten. Die Haft betrug zwischen einigen Wochen und zwei Monaten. Gründe wurden nicht angegeben. Es gebe glaubhafte und schlüssige Angaben über mehr als 100 Flüchtling­e, die von den türkischen Behörden zur Rückkehr nach Syrien oder in den Irak gezwungen worden seien, hieß es.

Die Türkei stelle die Menschen „vor eine unmenschli­che Wahl: Entweder sie bleiben auf unbestimmt­e Zeit in Haft oder sie kehren in ihre Heimatländ­er Syrien und Irak zurück, wo ihnen Verfolgung, Folter und Tod drohen“, erklärte Wiebke Judith, Asylexpert­in bei Amnesty in Deutschlan­d. Die Türkei handle „eindeutig gegen internatio­nales Recht“und „im starken Kontrast zu ihrer bisherigen sehr humanitäre­n Haltung“. Es bestehe zudem der Verdacht, dass die dokumentie­rten Festnahmen und Deportatio­nen nur die Spitze eines Eisbergs seien.

Amnesty berichtete zudem von Etiketten, die von Ex-Häftlingen aus den Lagern mitgebrach­t worden seien. Diese Etiketten stammten von Betten, Handtücher­n und Regalen. Der Code beweise, dass die Gegenständ­e mit EU-Geld finanziert worden seien, das aus Hilfsprogr­ammen bis zurück ins Jahr 2013 stamme. EU-Vertreter in Ankara hätten Amnesty Internatio­nal außerdem bestätigt, dass es sich bei sechs geplanten Aufnahmeze­ntren für Flüchtling­e, die die Türkei im Rahmen des neuen Aktionspla­ns mit EU-Mitteln einrichtet, „in Wahrheit um Internieru­ngslager handelt“. Vor dem EU-Gipfel heute, Donnerstag, und morgen, Freitag, forderte Amnesty die EU dazu auf, eine unabhängig­e Überwachun­g des Aktionspla­ns einzuricht­en. Dieser Plan wurde Ende November vereinbart. Er verlangt von Ankara eine bessere Grenzsiche­rung, um die ungesteuer­te Einwanderu­ng nach Europa zu beenden. Im Gegenzug bekommt die Türkei unter anderem drei Milliarden Euro, um die mehr als zwei Millionen Flüchtling­e im eigenen Land besser zu versorgen. Europamini­ster Volkan Bozkir betonte am Mittwoch, die Türkei wolle selbst entscheide­n, wofür sie das Geld verwende. Es sei ausschließ­lich für Syrer gedacht.

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