Liebe in Zeiten des Weihnachtseinkaufs
Die Verfilmung des Romans „Carol“von Patricia Highsmith kommt ins Kino.
New York, die frühen Fünfzigerjahre: Therese (Rooney Mara) will Fotografin werden, vor den Weihnachtsfeiertagen jobbt sie in einem Nobelkaufhaus. Da kommt eine mondäne Dame (Cate Blanchett) herein – und es ist um Therese geschehen: „Carol“von Regisseur Todd Haynes ist die preisgekrönte Verfilmung eines lose autobiografischen Romans von Patricia Highsmith. Mehr als 16 Jahre arbeitete Drehbuchautorin Phyllis Nagy an dem Buch – und sie weiß, was damals wirklich passiert ist. SN: Sie und Patricia Highsmith kannten einander? Phyllis Nagy: Ja, ich war damals eine junge Mitarbeiterin bei der „New York Times“und schlug vor, dass wir sie für eine Reportage engagieren, einen Spaziergang über einen berühmten New Yorker Friedhof. Sie hatte damals den Ruf, oft unfreundlich zu sein. Also hatte ich die zweifelhafte Ehre, sie zu begleiten – und an diesem etwas gruseligen Vormittag zwischen Gräbern und Krematorium wurden wir Freundinnen. Zumindest teilweise. Zum Glück hatten wir vor ihrem Tod auch über diesen Roman gesprochen, sie hatte eine sehr ambivalente Beziehung dazu. Wie Therese hatte auch Pat als junge Frau in einem Kaufhaus gearbeitet, und eine blonde Frau kam und kaufte ein Geschenk. Pat hat diese Frau nie wieder getroffen, aber sie hat sie gestalkt: Sie fuhr zu ihrer Adresse, sie schaute heimlich durchs Fenster hinein. Das war die Basis für den Roman. SN: Highsmith hatte den Roman „Salz und sein Preis“1952 unter einem Pseudonym veröffentlicht. Erst bei einer Neuauflage unter dem Titel „Carol“bekannte sie sich 1990 zur Autorenschaft. Warum? Ihr britischer Verleger hatte sie um die Neuauflage gebeten, weil damals immer mehr Leute die Filmrechte zu ihren Büchern kaufen wollten. Erst da schloss sie endlich Frieden mit „Carol“. Sie erkannte den Roman als das, was er ist: ein vorausschauendes, wichtiges Dokument, radikal, nicht zuletzt wegen der Abwesenheit banalen Psychologisierens über den Zustand des Homosexuell-Seins. SN: Was meinen Sie damit? Niemand spricht darüber im Film, das ist das allergeringste ihrer Probleme. Freiheit kommt immer davon, die zu sein, die man ist, und nicht davon, nur zu reden. Ich glaube, das ist das erste Mal außerhalb des lesbischen und schwulen Independentkinos, dass Homosexualität mit einer derartigen Selbstverständlichkeit erzählt wird. Außerdem hat Pat das Buch mit einem fast glücklichen Ende geschrieben. SN: Manche Kritiker wirkten enttäuscht, dass der Film nicht als Tragödie endet. Das sagt weniger über den Film aus als über die Erwartungen der Leute: Lesbische und schwule Liebe muss tragisch enden! Jemand hat über „Carol“geschrieben: „Das ist ,Brokeback Mountain‘ für Mädels.“Aber nein, das ist es eben nicht. SN: Hätte Highsmith den Film „Carol“gemocht? Sie mochte keine einzige Verfilmung ihrer Bücher. Sie fand Alain Delon in „Nur die Sonne war Zeuge“gut, aber den Film furchtbar. Sie hasste Hitchcocks Verfilmung von „Der Fremde im Zug“, obwohl ich mit ihr deswegen sogar zu streiten versuchte.
Film und Fernsehen blieben ihr fremd. Ob sie diesen Film mögen würde, weiß ich natürlich nicht. Ich kann nur hoffen, dass sie jetzt auf einer Wolke sitzt und auf den Erfolg des Films einen Whiskey Soda trinkt.
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