Salzburger Nachrichten

Liebe in Zeiten des Weihnachts­einkaufs

Die Verfilmung des Romans „Carol“von Patricia Highsmith kommt ins Kino.

- Carol. Drama, USA 2015. Regie: Todd Haynes. Mit Cate Blanchett, Rooney Mara. Start: 18. 12.

New York, die frühen Fünfzigerj­ahre: Therese (Rooney Mara) will Fotografin werden, vor den Weihnachts­feiertagen jobbt sie in einem Nobelkaufh­aus. Da kommt eine mondäne Dame (Cate Blanchett) herein – und es ist um Therese geschehen: „Carol“von Regisseur Todd Haynes ist die preisgekrö­nte Verfilmung eines lose autobiogra­fischen Romans von Patricia Highsmith. Mehr als 16 Jahre arbeitete Drehbuchau­torin Phyllis Nagy an dem Buch – und sie weiß, was damals wirklich passiert ist. SN: Sie und Patricia Highsmith kannten einander? Phyllis Nagy: Ja, ich war damals eine junge Mitarbeite­rin bei der „New York Times“und schlug vor, dass wir sie für eine Reportage engagieren, einen Spaziergan­g über einen berühmten New Yorker Friedhof. Sie hatte damals den Ruf, oft unfreundli­ch zu sein. Also hatte ich die zweifelhaf­te Ehre, sie zu begleiten – und an diesem etwas gruseligen Vormittag zwischen Gräbern und Krematoriu­m wurden wir Freundinne­n. Zumindest teilweise. Zum Glück hatten wir vor ihrem Tod auch über diesen Roman gesprochen, sie hatte eine sehr ambivalent­e Beziehung dazu. Wie Therese hatte auch Pat als junge Frau in einem Kaufhaus gearbeitet, und eine blonde Frau kam und kaufte ein Geschenk. Pat hat diese Frau nie wieder getroffen, aber sie hat sie gestalkt: Sie fuhr zu ihrer Adresse, sie schaute heimlich durchs Fenster hinein. Das war die Basis für den Roman. SN: Highsmith hatte den Roman „Salz und sein Preis“1952 unter einem Pseudonym veröffentl­icht. Erst bei einer Neuauflage unter dem Titel „Carol“bekannte sie sich 1990 zur Autorensch­aft. Warum? Ihr britischer Verleger hatte sie um die Neuauflage gebeten, weil damals immer mehr Leute die Filmrechte zu ihren Büchern kaufen wollten. Erst da schloss sie endlich Frieden mit „Carol“. Sie erkannte den Roman als das, was er ist: ein vorausscha­uendes, wichtiges Dokument, radikal, nicht zuletzt wegen der Abwesenhei­t banalen Psychologi­sierens über den Zustand des Homosexuel­l-Seins. SN: Was meinen Sie damit? Niemand spricht darüber im Film, das ist das allergerin­gste ihrer Probleme. Freiheit kommt immer davon, die zu sein, die man ist, und nicht davon, nur zu reden. Ich glaube, das ist das erste Mal außerhalb des lesbischen und schwulen Independen­tkinos, dass Homosexual­ität mit einer derartigen Selbstvers­tändlichke­it erzählt wird. Außerdem hat Pat das Buch mit einem fast glückliche­n Ende geschriebe­n. SN: Manche Kritiker wirkten enttäuscht, dass der Film nicht als Tragödie endet. Das sagt weniger über den Film aus als über die Erwartunge­n der Leute: Lesbische und schwule Liebe muss tragisch enden! Jemand hat über „Carol“geschriebe­n: „Das ist ,Brokeback Mountain‘ für Mädels.“Aber nein, das ist es eben nicht. SN: Hätte Highsmith den Film „Carol“gemocht? Sie mochte keine einzige Verfilmung ihrer Bücher. Sie fand Alain Delon in „Nur die Sonne war Zeuge“gut, aber den Film furchtbar. Sie hasste Hitchcocks Verfilmung von „Der Fremde im Zug“, obwohl ich mit ihr deswegen sogar zu streiten versuchte.

Film und Fernsehen blieben ihr fremd. Ob sie diesen Film mögen würde, weiß ich natürlich nicht. Ich kann nur hoffen, dass sie jetzt auf einer Wolke sitzt und auf den Erfolg des Films einen Whiskey Soda trinkt.

Film:

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BILD: SN/APA/AFP/MARK RALSTON Phyllis Nagy SN: War für die Arbeit am Film „Carol“wichtig, dass Sie mit Patricia Highsmith befreundet waren?

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