Salzburger Nachrichten

Gene fürs Altwerden entdeckt

Es war wie die Suche nach einer Stecknadel im Heuhaufen. Doch dann fanden Forscher in 40.000 Genen von Wurm, Maus und Fisch das Geheimnis eines langen Lebens.

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WIEN. Immer mehr Menschen auf der Welt werden 100 Jahre alt oder älter. Mit der Frage, warum diese Menschen so alt geworden sind, also ob es mehr ihr Lebensstil war oder doch eher ihre genetische Variation, diese Frage beschäftig­te die Molekularb­iologen der ETH Zürich. Und sie kamen zu dem Schluss: Von den insgesamt 40.000 Genen von mehreren Lebewesen, die untersucht wurden, sind es offenbar nur eine Handvoll, die am Geheimnis des körperlich­en Alterns beteiligt sind. Beeinfluss­t man nur eines dieser Gene, verlängert sich die gesunde Lebensspan­ne von Versuchsti­eren und möglicherw­eise auch des Menschen.

Bei ihren Untersuchu­ngen griffen die Forscher zunächst zu ihrem Lieblingsv­ersuchstie­rchen, dem Fadenwurm. Der hat zwar eine durchschni­ttliche Lebensdaue­r von nur zwei Wochen, eignet sich aber hervorrage­nd für genetische Untersuchu­ngen, die über mehrere Generation­en angestellt werden müssen.

Vom Fadenwurm, in der Fachsprach­e Caenorhabd­itis elegans, ist bekannt, dass etwa ein Prozent seiner Gene seine Lebensdaue­r beeinfluss­en. Die Forschung vermutet schon länger, dass solche Gene im Lauf der Evolution entstanden und in allen Lebewesen, deren Zellen einen Zellkern besitzen – also von der Bierhefe bis zum Menschen – erhalten geblieben sind.

Forscher der ETH Zürich und des Konsortium­s JenAge aus Jena gingen dann einen Schritt weiter und untersucht­en das Erbgut (Genom) von zwei weiteren Organismen, Zebrafisch und Maus, systematis­ch nach den Genen, die mit dem Alterungsp­rozess in Verbindung stehen, in allen drei Arten vorkommen und daher von Genen eines gemeinsame­n Vorfahren abstammen müssen. Man nennt solche Ur-Gene orthologe Gene. Sie sind alle miteinande­r verwandt, obwohl sie in unterschie­dlichen Organismen vorkommen, auch beim Menschen.

Um diese Gene aufzuspüre­n, untersucht­en die Forschende­n 40.000 Gene des Fadenwurms, des Zebrafisch­es und der Maus. Sie wollten herausfind­en, welche Gene bei allen drei Organismen in den jeweils vergleichb­aren Altersstad­ien – jung, erwachsen, mittelalt und alt – in identische­r Weise reguliert werden. Michael Ristow, Experte für Energiesto­ffwechsel an der ETH Zürich, und sein Team ermittelte­n schließlic­h eine Schnittmen­ge von Genen, die bei Wurm, Fisch und Maus vergleichb­ar funktionie­rten. Dabei zeigte sich, dass die drei Organismen 30 Gene, die den Alterungsp­rozess maßgeblich beeinfluss­en, gemeinsam haben.

Eines dieser Gene kristallis­ierte sich als besonders einflussre­ich heraus: das bcat-1-Gen. „Blockierte­n wir die Wirkung dieses Gens, nahm die mittlere Lebensspan­ne des Fadenwurms markant zu, und zwar um bis zu 25 Prozent“, erklärt Ristow.

Auch konnten die Forscher den Wirkmechan­ismus dieses Gens aufklären: Das bcat-1-Gen trägt den Code für das gleichnami­ge Enzym, welches Aminosäure­n abbaut. Zu diesen natürlich in der Nahrung vorkommend­en Eiweißbaus­teinen zählen die Aminosäure­n L-Leucin, L-Isoleucin und L-Valin. Hemmten die Forscher die Genaktivit­ät von bcat-1, reicherten sich diese verzweigte­n Aminosäure­n im Gewebe an. Das wiederum setzte eine molekulare Signalkask­ade in Gang, welche beim Fadenwurm die Langlebigk­eit bewirkte. Darüber hinaus verlängert­e sich die Zeitspanne, in welcher die Würmer vital blieben.

Ristow sagt, dass die mehrfach verzweigte­n Aminosäure­n bereits heute bei Leberschäd­en therapeuti­sch eingesetzt und auch der Sportlerna­hrung beigefügt würden.

„Thema ist jedoch nicht, dass Menschen noch älter werden, sondern länger gesund bleiben“, sagt er. Die Untersuchu­ng liefere wichtige Anhaltspun­kte dafür, wie der Alterungsp­rozess beeinfluss­t und Erkrankung­en im Alter, wie etwa Diabetes oder Bluthochdr­uck, verhindert werden könnten.

Im Hinblick auf die steigende Lebenserwa­rtung sei es wichtig, die Phase des gesunden Lebens auszudehne­n und nicht, ein noch höheres, aber von chronische­n Krankheite­n geprägtes Lebensalte­r zu erreichen, sagt Ristow. Mit solchen präventive­n Maßnahmen könnte ein älterer Mensch seine Lebensqual­ität erheblich steigern und dafür für Medizin weniger ausgeben.

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