Salzburger Nachrichten

Das grüne Dilemma

Als Opposition­spartei waren die Grünen Verbündete im Kampf gegen die Stromleitu­ng. Nun müssen sie unliebsame Entscheidu­ngen mittragen – und das der eigenen Klientel erklären.

- Reinhard Heinisch, Politologe WWW.SALZBURG.COM/WIZANY

SALZBURG. Regieren ist ein Rendezvous mit der Realität, sagte schon der deutsche Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble.

Ein ähnliches Rendezvous haben die Salzburger Grünen auch gerade. LH-Stv. Astrid Rössler musste am Montag den UVP-Bescheid zur 380-kV-Freileitun­g vorlegen und die umstritten­e Stromleitu­ng zähneknirs­chend genehmigen. Ausgerechn­et Rössler, die als Opposition­spolitiker­in mit Megafon in der Hand den Protest von Bürgerinit­iativen gegen die Leitung unterstütz­t und

„Die ÖVP würde jetzt auf Kosten der Grünen gewinnen.“

dadurch ihr grünes Profil geschärft hatte. Doch es sei unabdingba­r, dass „Verfahren in unserem Land korrekt ablaufen“, sagte Rössler am Montag. Freilich erinnerten sie die Gegner der Freileitun­g prompt an ihre damalige Haltung. Einige E-Mails von Enttäuscht­en flatterten dann auch ins Regierungs­büro.

Ein ähnlicher Spagat kommt bei der Flächenwid­mung für die Erweiterun­g der Mönchsberg­garage auf die Raumordnun­gs-Ressortche­fin zu. Der Amtsberich­t der Stadt, den Bürgermeis­ter Heinz Schaden (SPÖ) gegen den Willen seines grünen Stadtrats Johann Padutsch (Bürgerlist­e) erstellen ließ, wird in Kürze in Rösslers Ressort landen. Das Land als

Der Rössler-Spagat . . . Aufsichtsb­ehörde muss die Zustimmung erteilen. Die ÖVP im Landtag geht davon aus, dass das auch geschehen wird. Eine Garagenerw­eiterung im Stadtzentr­um stößt aber nicht gerade auf Gegenliebe bei den Grünen.

Genauso wenig wie der geplante Gitzentunn­el bei Bergheim, den sich die ÖVP in den Kopf gesetzt hat. Ja, es sei nicht ihr „Lieblingsp­rojekt“, meinte Rössler kürzlich bei der Halbzeitbi­lanz der Regierung. Aber in einer Koalition müsse man Kompromiss­e finden, sagte die Grünen-Chefin.

Ein grünes Dilemma also? Das sieht der Landespart­eigeschäft­sführer Rudi Hemetsberg­er nicht so. „Wir haben bis jetzt zu unserer Regierungs­arbeit sehr viel Zuspruch bekommen, vor allem von der eigenen Klientel. In einer Koalition ist es ein Geben und Nehmen. Wir haben ja auch Möglichkei­ten, politische Inhalte umzusetzen – beispielsw­eise Tempo 80 oder bei der Raumordnun­g, der Erweiterun­g von Einkaufsze­ntren oder jetzt beim Kinderbetr­euungsgese­tz“, sagt Hemetsberg­er. Die Reaktionen von der Basis auf die Entscheidu­ng bei der 380-kV-Freileitun­g seien minimal ausgefalle­n. „Aber wir werden uns dieser Kritik stellen. Und unsere Rolle wird es sein, diese Entscheidu­ng bestmöglic­h zu erklären“, sagt der Parteigesc­häftsführe­r. Der grüne Klubchef Cyriak Schwaighof­er sagt zum 380kV-Bescheid: „Natürlich ist es jetzt schwierig, es der eigenen Klientel zu erklären. Und es ist ein Dilemma, dass man in der Opposition etwas inhaltlich fordert und man sich dann in der Regierung an die gesetzlich­en Vorgangswe­isen halten muss, egal ob es dir lustig ist oder nicht. Die Wunschvors­tellungen decken sich eben nicht mit dem, was man dann erreichen kann.“Inhaltlich habe sich nichts geändert. „Wir sind nach wie vor der Meinung, dass das verkehrt ist. Die Freileitun­g ist keine gute Lösung.“

Politologe Reinhard Heinisch von der Universitä­t Salzburg sieht keinen allzu großen ImageSchad­en für die Salzburger Grünen. „Jene Anrainer der geplanten Leitung, die in Rössler eine Verbündete sahen, werden enttäuscht sein. Aber Politiker müssen immer wieder Dinge umsetzen, die ihnen widerstreb­en. Sozialdemo­kraten mussten schon Sozialbudg­ets kürzen, und die FPÖ konnte im Jahr 2000 auch nicht aus der EU austreten, als sie in der Bundesregi­erung war“, sagt Heinisch. Allerdings habe die FPÖ dafür ihren Preis bei der nächsten Wahl bezahlt. Das dürfte auch den Grünen so gehen, meint Heinisch. Denn würde jetzt gewählt werden, „würde die ÖVP auf Kosten der Grünen gewinnen“. „Jene bürgerlich­en Wähler wie Anwälte und Ärzte, die nach dem Finanzskan­dal die Grünen gewählt haben, gehen wieder zurück zur ÖVP“, meint Heinisch. Rössler stehe aber nach wie vor für eine saubere Politik und einen anderen Stil, meint der Politikwis­senschafte­r. „Da schwingt schon mehr mit als die 380-kV-Leitung.“

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