Falsches Bild vom Bildungssystem
Wissen wird nicht so stark vererbt wie angenommen.
„Bildung wird in Österreich vererbt.“Zuletzt war es eine Studie der OECD, die darauf hinwies. Die Denkfabrik Agenda Austria widerspricht nun dieser Aussage. In der OECD-Untersuchung „Bildung auf einen Blick 2015“heißt es: „Die Aufwärtsmobilität im Bildungsbereich ist bemerkenswert schwach ausgeprägt“; nur 21 Prozent der 25- bis 34Jährigen erklimmen demnach eine höhere Bildungsstufe als Vater oder Mutter. Niemandem sei aber aufgefallen, dass dieselbe Studie den Österreichern ein überdurchschnittlich hohes Bildungsniveau bescheinigt, heißt es bei der Agenda Austria. Diese beiden Fakten passten nicht zusammen. Das eigentliche Problem sei, dass die OECD-Zahlen in puncto Bildungsaufstieg ein verzerrtes Bild lieferten, heißt es bei der Denkfabrik. Aus Gründen der internationalen Vergleichbarkeit reduzierten die Statistiker der OECD die verschiedenen Bildungsabschlüsse auf drei Stufen. Ein Pflichtschulabschluss bildet die niedrigste Stufe, und die höchste erfasst die Akademie- oder Universitätsebene. Alles dazwischen gilt als mittlere Stufe. Für Österreich bedeutet dies: Wenn der Vater eine Lehre abgeschlossen und die Tochter maturiert hat, gilt das nicht als Bildungsaufstieg. Wenn die Mutter einen Handelsschulabschluss hat und der Sohn HTL-Ingenieur wird, gilt das ebenfalls nicht als Bildungsaufstieg. Damit wird die gesamte Vielfalt des österreichischen allgemeinen und berufsbildenden Schulsystems ignoriert. Kein Wunder, dass auf dem Papier nur jedes fünfte Kind die Bildungsleiter hinaufklettert, heißt es.
Um aussagekräftig zu sein, müssten die österreichischen Abschlüsse in mehr Stufen unterteilt werden, befindet die Agenda Austria. Eine Auswertung würde dann ein erfreulicheres Ergebnis zeigen. Dient der höchste Abschluss von Vater oder Mutter als Bezugspunkt, sind 45 Prozent der Österreicher Bildungsaufsteiger, auf gleichem Niveau bleiben 42 Prozent.
Dies bedeutet nicht, dass alles gut ist. Denn trotz dieses positiven Befunds seien nach wie vor Hindernisse für den Bildungsaufstieg vorhanden, erklärt man bei der Agenda Austria. Es gebe ausreichend Hinweise darauf, dass Kinder unter sechs Jahren, die zu Hause nicht gefördert würden oder in einen Kindergarten mit schlechter Betreuung gingen, diesen Rückstand nie wieder aufholen könnten.