Salzburger Nachrichten

In Israels Museen hängt NS-Raubkunst

Eine Hinterblie­benenorgan­isation fordert, Bilder an rechtmäßig­e Erben zurückzuge­ben. Viele Museen fühlen sich zu Unrecht angegriffe­n.

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Es dauerte ein halbes Jahrhunder­t, bis die Wahrheit über den „Bettler“bekannt wurde. Seit 1964 hängt das Gemälde des jüdischen Künstlers Eugène Zak im Haus der Kunst im israelisch­en Ein Harod, ohne Verdacht zu erregen. Erst die Neugier einer Studentin enthüllte die bewegte Geschichte des Kunstwerks. Um dessen Authentizi­tät zu prüfen, ließ sie im August 2015 den Holzrahmen abnehmen. Das brachte auf der Rückseite einen ominösen Stempel zutage: „MA-B 1330“stand da in schwarzen Lettern – Beweis dafür, dass es sich um Naziraubgu­t handelt. „Das Kürzel steht für ,Möbelaktio­n – Inventarnu­mmer B-1330‘. So markierte der ERR, Einsatzsta­b Reichsleit­er Rosenberg, alle Kunstwerke, die er im Dritten Reich bei jüdischen Familien beschlagna­hmte“, erklärt Elinor Kroitoru, Leiterin der Forschungs­abteilung von Haschawa, der Organisati­on für die Rückgabe des Eigentums von Holocausto­pfern in Israel, der deutschen Tageszeitu­ng „Die Welt“.

Seit der Entdeckung sucht sie die rechtmäßig­en Erben des Bilds, das 1944 in Paris geraubt und katalogisi­ert wurde. Der „Bettler“sei kein Einzelfall, sagt Elinor Kroitoru. 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg befinden sich in israelisch­en Galerien vermutlich Hunderte, vielleicht Tausende Werke, die eigentlich Privaten gehören. Doch „die großen Museen tun sich schwer damit, sich von Kunstwerke­n zu trennen“und täten deswegen viel zu wenig dafür, die Herkunft ihrer Bestände zu erforschen und die Eigentümer ausfindig zu machen.

Das Problem begann im Juli 1940. Damals beauftragt­e Adolf Hitler den ERR, jüdische Kulturgüte­r aus allen besetzten Gebieten zusammenzu­tragen, angeblich um ein „Institut zur Erforschun­g der Judenfrage“auszustatt­en. Der pseudowiss­enschaftli­che Auftrag war jedoch nur Vorwand für einen der größten Kunstdiebs­tähle in Europa.

Mit Unterstütz­ung des Reichsmars­challs Hermann Göring katalogisi­erte und stahl der ERR unzählige Werke jüdischer Familien, bevor diese in Vernichtun­gslager deportiert wurden. Nach dem Krieg sollten Organisati­onen wie die Jewish Restitutio­n Successor Organisati­on (JRSO) den Raubschatz der Nazis verwalten und wieder zurückerst­atten. Doch bei schätzungs­weise 250.000 bis 600.000 Werken gelang das wegen mangelnder Dokumentat­ion der Besitzverh­ältnisse nicht. Das vermeintli­ch „herrenlose Gut“wurde an „geeignete Institutio­nen“vergeben, darunter auch Museen in Israel.

Allein im Israel Museum in Jerusalem befinden sich etwa 1400 Werke aus Beständen des JRSO. In anderen Fällen, wie beim „Bettler“, durchkämmt­en Israelis nach dem Krieg Galerien und Auktionshä­user, um der untergegan­genen jüdischen Kultur Europas daheim ein Denkmal zu setzen. Tausende Kunstwerke der Vorkriegsz­eit, deren Besitzverh­ältnisse nie eindeutig geklärt werden konnten, gelangten so nach Israel. Israels Museen begnügten sich damit, Werke, die sie vom JRSO erhielten, zu katalogisi­eren und diese Informatio­n online zugänglich zu machen, sagt Kroitoru.

James Snyder, Direktor des Israel Museum in Jerusalem, sieht das anders. „Zwei meiner Mitarbeite­r sind ausschließ­lich damit beschäftig­t, Herkunftsf­orschung zu betreiben, und erhalten dabei die Hilfe aller anderen Angestellt­en“, sagte er der „Welt“. So erstattete das Haus bereits Gemälde von Degas, Pissarro und Max Liebermann zurück. 2008 habe das Museum die Ausstellun­g „Verwaiste Kunst“ausgericht­et, die auf das Problem hingewiese­n habe. Doch das Israel Museum in Jerusalem scheint eine rühmliche Ausnahmezu sein. „Meine Mitarbeite­r haben gar nicht die notwendige­n Kenntnisse, um geraubte Kunst zu erkennen“, gibt Ayala Oppenheime­r, Kuratorin des Kunsthause­s in Ein Harod, zu. „Sie wussten beispielsw­eise nicht, was der Stempel auf der Rückseite des ,Bettlers‘ bedeutet.“

Elinor Kroitoru will nun mit einer Konferenz in Tel Aviv eine öffentlich­e Debatte über geraubte Kunst in Israel auslösen.

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BILD: SN/GIL YARON Elinor Kroitoru vor dem Bild „Bettler“von Eugène Zak.

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