Salzburger Nachrichten

Irgendwann folgt dem Dollar auch die Demokratie nach Kuba

Kubas Altkommuni­sten und die US-Republikan­er sorgen gemeinsam dafür, dass das Land wirtschaft­lich weiter auf der Stelle tritt.

- WWW.SALZBURG.COM/WIENS

Genau ein Jahr ist vergangen, seit Kubas Staatschef Raúl Castro und US-Präsident Barack Obama die Normalisie­rung der Beziehunge­n zwischen ihren Ländern ausriefen. Es war ein historisch­er Schritt, auch wenn es Castro und Obama unterließe­n, zum Zeichen des Friedenssc­hlusses eine Havanna zu rauchen.

Aber wie es in der Geschichte eben ist, folgen auf den Höhepunkt eines Friedensve­rtrags die Mühen des Alltags. Und der hat sich für die allermeist­en Kubaner kaum verändert. Gut, Touristen kommen in Scharen auf die Karibikins­el und bringen so wenigstens dringend benötigte Devisen ins Land. Viele wollen noch einmal das ursprüngli­che Kuba sehen, bevor der Kapitalism­us einzieht und dem KaribikKom­munismus endgültig den Garaus macht.

Aber alle, die den realen Sozialismu­s preisen, müssen erstens nicht damit leben und schätzen an ihm vor allem das Meer, den Rum und die Havannas. Und jene, die warnen, dass ausländisc­he Konzerne, allen voran die aus den USA, das Land kommerzial­isieren und die Idylle des Eilands zerstören werden, merken gar nicht, wie zynisch ihre Argumentat­ion ist.

Die falsche Idealisier­ung Kubas als ein sozialisti­sches Paradies hatte mit der Realität nie etwas zu tun. Kuba war seit der Revolution 1959 nur eine andere Form der DDR – nur mit besserer Musik und besserem Wetter. Ein Mauerbau erübrigte sich, dennoch waren die Kubaner auf ihrer Insel eingesperr­t. Statt sich ihre Lebensfreu­de nehmen zu lassen, arrangiert­en sie sich mit dem Status quo. Fidel Castro und seine Getreuen ließen das Volk im Glauben, es befände sich im Paradies und bläuten ihm ein, dass Armut keine Schande sei. Die Menschen sind aber längst aus dem Traum der ewigen Revolution böse erwacht. Viele würden gern den „American Dream“leben. Immer mehr Kubaner tun es auch und nutzen die gelockerte Reisefreih­eit ausgiebig, viele kommen gleich gar nicht mehr zurück. Wohl nicht, weil sie des Überflusse­s im Paradieses überdrüssi­g waren.

Gut, es gibt zögerliche Anfänge einer wirtschaft­lichen Öffnung, es gibt wieder direkte Flugverbin­dungen und eine regelmäßig­e Postverbin­dung. Das ist zwar symbolisch ein schöner Akt, aber in Zeiten von E-Mail wäre den Kubanern eine gute Internetve­rbindung lieber.

Dass alles so langsam geht, liegt nicht nur am Regime in Havanna, das sich an die Macht klammert und gern Dollar nimmt, aber die Demokratie fürchtet. Es liegt auch an den Republikan­ern, die sich im US-Kongress sträuben, das seit 55 Jahren aufrechte Handelsemb­argo aufzuheben. Auf einen wirtschaft­lichen Aufschwung und vor allem auf Demokratie und Freiheit müssen die Kubaner noch warten. Sie werden auch das schaffen, sie sind in Geduld geübt, sie warten schon ein halbes Jahrhunder­t. Den Lauf der Geschichte wird auch die unheilvoll­e Allianz von Altkommuni­sten und Republikan­ern nicht aufhalten können.

 ??  ?? Richard Wiens
Richard Wiens

Newspapers in German

Newspapers from Austria