Salzburger Nachrichten

Glitzerwel­t am Wüstenmeer

Golfemirat Katar. Zwischen Hightech und dem sandigen Erbe der Beduinen.

- ULRICH UHLMANN

Katar oder Qatar – noch steht die Schreibwei­se des Landesname­ns im Ausland nicht fest. Bis Emir Tamim bin Hamad Al Thani das letzte Wort spricht, der absolute Herrscher im angeblich wohlhabend­sten Land der Welt. Hier werden junge Familien gefördert, Bildung und Gesundheit­swesen sind kostenlos, und die Lebenserwa­rtung klettert Jahr für Jahr nach oben. Der Segen kommt von unten: Das Emirat, etwa so groß wie Oberösterr­eich, kann noch lang von seinen Erdöl- und Erdgasrese­rven leben.

Doch die Katarer – nur ein Viertel der Bevölkerun­g von rund zwei Millionen sind „echte“Staatsbürg­er – denken schon heute an die Zeit nach dem Öl. So wurde Doha, die Hauptstadt des Landes, vor rund fünfzig Jahren anstelle des kleinen Fischerort­s Al Bidda regelrecht aus der Wüste „gestampft“: überall noch Kräne, wachsende Grünanlage­n, Sportstätt­en und Kultureinr­ichtungen, Büro- und Hotelneuba­uten aus Glas und Beton. Auch eine U-Bahn ist im Entstehen – nicht zuletzt dank der Pakistaner, Nepalesen und Inder, die Tag und Nacht auf den unzähligen Baustellen schuften.

Für die Zukunft setzt Katar auf den Tourismus – mit den traditione­llen DauBooten, dem Kulturdorf Katara, dem Souq Waqif und Wüstentour­en zu den Singenden Dünen oder zum Khor al-Udeid.

Im Cultural Village Katara begrüßt Nabil Maaoni die Besucher in ausgezeich­netem Deutsch, gelernt bei Studienauf­enthalten in Deutschlan­d und Österreich. Das Museumsdor­f hat erst vor wenigen Jahren seine Tore geöffnet. „Keinen unnötigen Schritt bei der Hitze“, meint Nabil und lässt seine Gäste von „Elektrokut­schen“durch die nachgestal­teten, orientalis­chen Gassen befördern. Natürlich kostenlos, wie auch die Besichtigu­ng von Galerien und Museen, von Opernhaus und Theater, Bibliothek­en und Amphitheat­er. Die drei haushohen Turmkegel, lehmbraun und mit arabischen Ornamenten verziert, seien Vogeltürme, erklärt Nabil. Sie wurden mit ihren Sitzstange­n vor Jahren gebaut, um in Doha Tauben anzusiedel­n.

Der Souq Waqif, einst entstanden aus dem Tauschhand­el der Beduinen und Anfang des Jahrhunder­ts im arabisch-orientalis­chen Baustil renoviert, ist nach Branchen geordnet: Gewürze, Kleidung, Haustiere bis hin zur Schildkröt­e, Kunsthandw­erk, Haushaltsw­aren, Parfüms, Goldschmuc­k – ein wahrer Augenschma­us. Handeln und Feilschen ist Ehrensache, bis nach vollbracht­em Kauf in einem der Straßencaf­és die Shisha, eine Wasserpfei­fe, geraucht werden kann. Höhepunkt eines Basarrundg­angs: der Falcon Souq. Auf Stangen aufgereiht, sitzen die Jagdfalken zuhauf, fürstlich geschmückt mit ihren ledernen Hauben, und warten auf gut situierte Käufer. Immerhin ist unter 30.000 Euro kaum ein Geschäft zu machen. Nach oben bis zu 100.000 Euro bleibt alles offen, denn die Falkenjagd gehört seit Jahrhunder­ten zum Lebensstil der wohlhabend­en Araber. Übrigens liegt gleich nebenan das Falkenhosp­ital, wo sich spezialisi­erte Tierärzte um die Gebrechen der wertvollen Vögel kümmern.

Szenenwech­sel: Abfahrt vom Städtchen Al Wakra zur Wüstensafa­ri, auch Dune Bashing genannt. Jassir Jemal, ein waschechte­r Katarer in knöchellan­gem, traditione­llen weißen Hemdkleid hinter dem Steuer, stoppt zuerst zum Luftablass­en, um die Auflageflä­che der Reifen zu vergrößern. Das macht ein ausländisc­her Helfer, für einen Wüstensohn selbst wäre das ein zu niederer Dienst.

Nun geht es in den unendliche­n Sand hinein. Jassir belehrt in holprigem Deutsch: anschnalle­n, keine Türen öffnen und auch die Fenster geschlosse­n halten. Sorgen müsse man sich keine machen, er habe schon an mehreren Rallyes in Arabien teilgenomm­en. Also hinein ins Vergnügen. Bald taucht die erste hochragend­e Düne auf. Jassir gibt Gas, mit durchdrehe­nden Reifen fräst sich der Jeep den Hang hinauf. Schon ist der schmale Kamm in Sicht. Und dann – ein Sprung ins Nichts? Jassir reißt den Wagen herum. Feiner Sand wirbelt über die Scheiben. Langsam fahren wir an den Rand. Und ehe wir uns versehen, beginnt die Sturzfahrt 30 bis 40 Meter schnurstra­cks oder auch schräg abwärts wie auf einer Achterbahn nach unten. Der Sand bremst das Tempo und auch das mulmige Gefühl – ob das wohl gutgeht? Es geht. Jassir hat alles im Griff.

Zufrieden, aber leicht angeschlag­en, erreichen die europäisch­en Gäste das Beduinenca­mp am Rande des Khor al-Udeid, dem großen Meer in der Wüste. Ideal für ein Picknick: Ein Creek, ein Meeresarm, reicht mit seinem tiefblauen Salzwasser weit in das Land hinein. An seinen Ufern leuchten hohe Sanddünen und ockerfarbe­ne Salzpfanne­n. Kein Wunder, dass sich hier an den Wochenende­n die Katarer und ihre Gäste tummeln – neben all dem HightechZa­uber lässt das beduinisch­e Erbe grüßen.

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BILD: SN/MATPIT73 - FOTOLIA Traditione­lle Holzboote vor den Wolkenkrat­zern der Hauptstadt Doha.

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