„Nicht jeder freut sich über Truthahn“
Das Geschenk ist ein Reinfall, der Christbaum schief, das Kind unausstehlich: Alle Jahre wieder fliegen unter dem Christbaum die Fetzen. Wie Weihnachten zum friedlichen, frohen Fest mit der Familie werden kann, verrät der Salzburger Psychotherapeut Manfr
In seinem Buch „Oh Tannentrauma“verrät der Salzburger Psychotherapeut Manfred Stelzig, wie Weihnachten wieder wundervoll werden kann. Ohne Hektik, ohne Tränen und Streit unter dem Weihnachtsbaum. SN: Woher kommen diese übersteigerten Erwartungen an das Weihnachtsfest? Ich weiß nicht, ob sie übersteigert sind, sie sind aber sicher sehr hoch. Der Mensch ist in seiner psychischen Grundausstattung sehr beziehungsorientiert. Ein Säugling braucht die Interaktion mit Mutter und Vater, um glücklich zu sein. Weihnachten ist das Fest, an dem diese Ursehnsucht mit diesem Urprogramm verstärkt herauskommt. Da wünscht sich jeder, mit seiner Familie in Harmonie zusammen zu sein. Das ist auch gut so. Zumindest ein Mal im Jahr gibt es so eine kollektive Orientierung. Wir nehmen den anderen wahr, überlegen uns, womit wir ihm eine Freude machen können. Man freut sich, wenn man etwas findet, oder auf den Moment, wenn es der Partner auspackt. SN: Was, wenn ich das perfekte Geschenk nicht finde? Man kann ruhig sagen, ich hab nichts Passendes gefunden, obwohl ich mich bemüht habe. Wir sollten Weihnachten viel mehr in einem Beziehungsaspekt sehen, nicht in einem Perfektionsaspekt. Das ist das Schlimmste, wenn die ritualisierten Abläufe vor die Beziehung gestellt werden. Wenn das Wichtigste ist, dass alles blitzblank gesaugt ist und die Teppichfransen gekämmt sind. SN: Wie gelingt beides? Am besten, man macht sich einen Plan. Weihnachten muss man strategisch angehen. Man muss Rollen und Aufgaben verteilen, sonst kommt es zu einer eigenartigen Verteilung, mit dem Ergebnis, dass einer überfordert ist. Dann wird der grantig, die anderen denken sich, sie könnten auch was machen, wissen aber nicht was, weil es etwa die Mutter eh schneller erledigt. So nimmt das Unheil seinen Lauf, dem man von vornherein mit Planung begegnen sollte. Man verteilt die Aufgaben, und wenn der Plan steht, dann sollte jeder noch einmal Verständnis haben, wenn trotzdem etwas daneben geht. SN: Wie wichtig sind Traditionen? Um die kommen wir nicht herum. Wir alle leben Traditionen und sind so ein Stück weit konditioniert. Wer Weihnachten mit dem Duft der Würstelsuppe verbindet, dem kann man mit einem Truthahn keine Freude machen. Solche Traditionen sind tief verwurzelt, da fehlt etwas, da ist man irritiert. SN: Wie löst man so ein Problem? Mit einem Kompromiss, dann gibt es eben einmal Truthahn und das nächste Jahr wieder Würstelsuppe. SN: Junge Menschen schmeißen Traditionen gerne über Bord, wollen statt des gemütlichen Miteinanders lieber Party machen. Wie gehen Eltern damit um? Das ist eine große Herausforderung. Als Eltern ist man in einem Wettbewerb gefangen, Weihnachten so zu gestalten, dass man mitmischen kann. Wenn woanders etwas Lustigeres winkt, sind die Kinder dahin. Das Schlimmste ist, wenn man vorher nicht Bescheid weiß. Das ist eine große Kränkung. Wenn aber für alle klar ist, dass man nach der Bescherung ein bisschen zusammensitzt und sich der Sohn dann ausklinkt, ist das einfacher. SN: Ist Weihnachten wirklich ein Beziehungskiller? Ja. Wir haben das ganze Jahr über die Möglichkeit, aneinander vorbeizuleben. Jeder läuft seinen Dingen nach. Weihnachten ist man aufeinander orientiert. Dann kommt es zum Streit, weil herauskommt, was das ganze Jahr unter den Teppich gekehrt wird. Da reicht es, wenn der Mann die Kerzen für den Christbaum vergisst. Dann ist da so viel aufgestauter Groll, dass es zur Explosion kommt. Enorm ist auch der Konflikt zwischen den Generationen. Ein Beispiel: Eine Frau will auch mit 40 noch bei ihren Eltern feiern, gegen den Willen ihres Mannes. Der fügt sich, aber es kommt immer wieder zum Streit. Da muss man sich überlegen, wie man den Konflikt löst. SN: Indem man ohne die Schwiegereltern feiert? Kann man denen das antun? Darum sind Feste wie Weihnachten so spannend. Man sollte sich die Frage stellen: Lebe ich oder werde ich gelebt? Wenn man sich in den Weihnachtstrubel begibt, sollte man sich die Frage stellen: Kann ich bei mir bleiben, kann ich mich in dem Wahnsinn, der sich da rundherum abspielt, positionieren? Kann ich mein Weihnachten durchziehen oder werde ich überschwemmt? Es ist eine riesige Herausforderung, autonom zu werden.
Das heißt auch, damit zurechtzukommen, wenn die Kinder auf einmal allein feiern wollen. Dann sollte man so weit sein, nicht in eine große Einsamkeit zu verfallen. Es gibt berührende Beispiele, wo ein Mensch Weihnachten für sich allein schön gestaltet, sodass