Salzburger Nachrichten

Theaterkun­st geht von Mensch zu Mensch

„Die Schneeköni­gin“ist ein leuchtende­s Beispiel, wie eigenständ­ig Nichtbehin­derte und Behinderte zusammensp­ielen können.

- Die Schneeköni­gin, republic, Salzburg, bis 29. Dezember. Freunde inklusiver Kunst und Kultur, Alpenstraß­e 54, E-Mail: info@inklusivek­ultur.at

Mittlerwei­le sind sie schon so etwas wie die Stars im inklusiven Ensemble des Theaters ecce. Alexander Dick fiel als charakteri­stische Bühnenersc­heinung dadurch auf, dass er lange Suaden halten konnte und dabei zu eigenartig­en Rhythmen fand. Jetzt spielt er sehr konzentrie­rt die Rolle des bösen Kommerzien­rats in Reinhold Tritschers Theatralis­ierung der „Schneeköni­gin“, die derzeit im Salzburger republic aufgeführt wird und einen wunderbare­n Märchenzau­ber verströmt.

Stefan Wartbichle­r gibt in dieser Produktion unter anderem einen kugelrunde­n Raben und wird gewiss nicht als Mitglied eines „Theaters für Menschen mit besonderen Bedürfniss­en“wahrgenomm­en, sondern eben als wunderbar komischer Vogel.

Mit „Inklusions­künstlern“leisten das Theater ecce und die Blauen Hunde seit Jahren Pionierarb­eit für ein Theater, das Gesunde und „Behinderte“(und mittlerwei­le auch „Fremde“, also Menschen mit Migrations­hintergrun­d) gleichrang­ig zu künstleris­chen Leistungen anspornen will – weil alle Menschen mit besonderen Talenten sind. Die poetische Theaterspr­ache, die Reinhold Tritscher und Wolf Junger dafür entwickeln, sichert eine eigene Facette der Bühnenkuns­t.

Die grundsätzl­iche Anerkennun­g dafür ist zwar gegeben, auch wenn Reinhold Tritscher meint, in Österreich sei man noch deutlich von Deutschlan­d entfernt, wo es zum Beispiel das Recht auf ein „persönlich­es Budget“für Menschen mit besonderen Bedürfniss­en gebe.

Die Integratio­n behinderte­r Schauspiel­er, wie sie das Staatsthea­ter Darmstadt seit zwei Jahren fördert, hat dadurch einen anderen Stellenwer­t. Samuel Koch beispielsw­eise, der in einer „Wetten, dass . . ?“-Show verunglück­te diplomiert­e Schauspiel­er, spielt aktuell die Titelrolle in Kleists „Prinz von Homburg“, Kafkas „Bericht für eine Akademie“und ist in Schillers „Räubern“besetzt. Die Rollstuhlf­ahrerin Jana Zöll agiert in einem Monolog von Franziska Walser und hat bald mit Tschechows „Onkel Wanja“(in der Rolle der Nania) Premiere. Immerhin habe hierzuland­e, sagt Tritscher, ein Wiener Schauspiel­er mit Downsyndro­m kürzlich die Bühnenprüf­ung vor der Paritätisc­hen Kommission abgelegt.

Nicht um die Grundfinan­zierung für inklusive Kulturproj­ekte zu geben, sondern „um den Mehraufwan­d, der deshalb erforderli­ch ist, zu ermögliche­n“, haben Alois Autischer, Daniel Pfeifenber­ger und Thomas Zezula nun in Salzburg den Verein Freunde inklusiver Kunst und Kultur gegründet. Man will einerseits Initiative­n zur Förderung inklusiver Kunst wecken, anderersei­ts potenziell­e Projektspo­nsoren vermitteln und Netzwerke knüpfen. Die Jahresmitg­liedsbeitr­äge betragen für Unternehme­n 1500 Euro, für Private 90 Euro. Schon jetzt konnte der Verein „Die Schneeköni­gin“mit 7000 Euro für speziellen Mehraufwan­d unterstütz­en.

Theater:

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Szene aus „Die Schneeköni­gin“.

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