Salzburger Nachrichten

Brüssel, der stille Zuschauer mit den Argusaugen

Gratulatio­n an den Gewinner – viel mehr wollte die Kommission am Montag nicht zum Ergebnis der Wahl in Spanien sagen.

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Keine Einmischun­g in die Innenpolit­ik der Mitgliedss­taaten, so lautet zu Recht das Credo der EU-Kommission. In diesem Jahr hat sie sich nicht immer daran gehalten, etwa vor der Wahl in Griechenla­nd. Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker hatte sich im Jänner weit aus dem Fenster gelehnt. Eine dezidierte Wahlempfeh­lung für seinen Parteikoll­egen Antonis Samaras hatte er zwar nicht abgegeben, die Griechen aber vor einem „falschen Wahlergebn­is“gewarnt. Vor dem Referendum über das dritte Hilfsprogr­amm Anfang Juli hatte die Kommission dann klar für ein Ja geworben.

Der Ausgang ist in beiden Fällen bekannt. Syriza kam an die Macht, es folgte ein monatelang­er Marathon an Verhandlun­gen zwischen der Regierung und den Institutio­nen, die nicht mehr den verhassten Namen Troika tragen durften. Der „Grexit“oder „Graccident“war plötzlich realistisc­her denn je. Erst recht nach dem Nein beim Referendum.

Entspreche­nd angespannt war in Brüssel die Stimmung vor der Wahl in Portugal in diesem Herbst. Der Musterschü­ler bei der Umsetzung des Rettungspr­ogramms sollte auf Kurs bleiben. Einen Vormarsch der Linken, einen Syriza-Effekt auf der Iberischen Halbinsel, konnte man nicht gebrauchen. Er blieb aus. An der Macht sind die Sozialiste­n, auch wenn sie im Parlament auf Hilfe der Linken angewiesen sind, etwa bei der Billigung des Budgets.

Bedrängt werden die Parteien der Mitte derzeit freilich auch von der anderen Seite des politische­n Spektrums. Das hat Brüssel noch weit mehr Sorgen zu machen, denn die rechten Parteien – von der französisc­hen Front National bis zu den Schwedende­mokraten im Norden – sind stärker als die Linksparte­ien und im Gegensatz zu ihnen auch extrem EU-feindlich.

Jüngstes Beispiel ist die national-konservati­ve Partei „Recht und Gerechtigk­eit“(PiS) in Polen. Demonstrat­iv hat die neue Regierung nach ihrem Amtsantrit­t die EU-Fahnen aus der wöchentlic­hen Pressekonf­erenz verbannt. Von der Klima- bis zur Flüchtling­spolitik schwenkte sie sofort auf einen nationalis­tischeren Kurs um.

„Furchterre­gend“nannte zuletzt der Außenminis­ter des Ratsvorsit­zlandes Luxemburg, Jean Asselborn, den Rechtskurs der polnischen Regierung. Polens neue Führung trete fundamenta­le europäisch­e Prinzipien mit Füßen und müsse damit rechnen, dass die EU „viel schärfer“als bisher reagieren werde.

Bisher waren die Reaktionen verhalten, obwohl die europäisch­e Einheit in der Flüchtling­skrise auch aus den Reihen der beiden größten Parteifami­lien im Europäisch­en Parlament torpediert wurde: vom ungarische­n Premier Viktor Orbán (Europäisch­e Volksparte­i) und vom slowakisch­en Premier Robert Fico (Sozialiste­n und Demokraten).

STEPHANIE.PACK@SALZBURG.COM

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Stephanie Pack

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