„Musik zählt einfach nicht“
Nicht nur angehende Kindergartenpädagogen haben weniger Musik auf dem Stundenplan. Das gilt auch für Volksschullehrer.
Gut ein Jahr ist es her, dass Künstler zum „Musikalarm“aufgerufen haben. Weltpianist Rudolf Buchbinder sprach damals von einem Skandal, wie die Republik ihr eigenes Erbe mit Füßen trete. Stardirigent Franz Welser-Möst zürnte, dass es „in spätestens 30 Jahren auf diese Weise weder einen Musiker noch ein Publikum gibt, das ihm zuhört“. Auslöser der Empörung war die geplante neue Lehrerausbildung, insbesondere die für Volksschullehrer. Sie sah weniger Musikunterricht vor.
Die Situation erinnert frappierend an jene an den Bundesanstalten für Kindergartenpädagogik (BAKIP) heute. Diesmal will das Bildungsministerium dort in Musik, Bildnerischer Erziehung und Werken den Rotstift ansetzen. Im Gegenzug soll die Frühkinderziehung, die bisher nur als Freigegenstand im Stundenplan stand, zum Pflichtgegenstand werden. Noch laufen die Verhandlungen zwischen dem Ministerium und den zuständigen Fachgruppen. Nach Protesten sieht es zwar danach aus, dass doch weniger als drei der insgesamt sieben Stunden Instrumentalunterricht gestrichen werden sollen. Die Tendenz, dass wieder die kreativen Fächer zugunsten der Wissensfächer Haare lassen müssen, dürfte jedoch bestehen bleiben.
So sieht es jedenfalls der ehemalige Musiklehrer Ferdinand Breitschopf, der im Vorstand des Österreichischen Musikrats sitzt. Ihm fehlt es an einem Gesamtkonzept für musikalische Bildung, das vom Kindergarten bis zum Hochschulstudium reicht. „Wir sprechen ständig über die tägliche Turnstunde. Von der täglichen Musikstunde höre ich nichts“, klagt er. Der Musikunterricht zähle einfach nicht.
Zumindest für Wien und Niederösterreich könne Breitschopf bestätigen, dass angehende Volksschullehrer heute nur mehr halb so viele Musikstunden absolvieren müssten wie früher. Auch bei den Aufnahmeprüfungen an der Pädagogischen Hochschule (PH) spiele Musikalität eine untergeordnete Rolle. Leonore Donat, Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft für Musikerziehung und AHS-Musiklehrerin, war heuer bei den Aufnahmetests an der Katholischen PH Krems dabei. „Wir haben zwar nicht alle Bewerber durchgewinkt. Aber wir haben auch niemanden abgewiesen, nur weil er nicht musikalisch ist.“
Auch an Neuen Mittelschulen (Hauptschulen) sowie an Gymnasien gebe es Probleme mit dem Musikunterricht. Ihnen soll es an Musiklehrern fehlen. In Wien und Niederösterreich sollen es gut hundert zu wenig sein. Breitschopf erzählt von unmusikalischen Chemielehrern, die deshalb an NMS Musik unterrichteten. Donat spricht von studierten Musikern, die ohne Pädagogikkenntnisse an AHS lehrten.
Der Stellenwert der Musik für die Entwicklung eines Kindes ist unbestritten. Peter Röpke, leitender Musikpädagoge an der Uni für Musik und darstellende Kunst in Wien, erhebt Musik zu erleben zum Menschenrecht: „Schon ein Baby im Mutterleib wird von Klängen umgeben. Musik ist die Sprache unseres Seelenlebens. Sie macht den Menschen aus.“Deshalb müsse ihr an Schulen Platz eingeräumt werden. Stardirigent Nikolaus Harnoncourt sieht das ähnlich. Er sagte in seiner Eröffnungsrede zum Mozartjahr im Jahr 2006: „Wenn zu Rechnen, Schreiben und Lesen nicht die Kunsterziehung gleichgewichtig hinzutritt, (. . .) besteht höchste Gefahr, dass der Materialismus und die Raffgier zur götzenhaften Religion unserer Zeit werden.“