Salzburger Nachrichten

Warmer Winter kann schaden

Das warme Schmuddelw­etter mit Nieselrege­n und Nebel bereitet manchen Menschen Kreislaufp­robleme. Auch die Natur könnte einen „Kältereiz“vertragen.

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WIEN. Milde Temperatur­en, schneelose Wiesen und Wälder – das alles bringt viele Menschen derzeit durcheinan­der. Manche klagen über Herz-Kreislauf-Probleme, manche schlafen schlecht. Auch die Natur mag es nicht sehr, wenn der kalte Winter ganz ausbleibt.

Forscher, die anhand von Satelliten­daten über Jahre hinweg die Vegetation im tibetische­n Hochland analysiert­en, stellten fest, dass einige Pflanzen einen Kältereiz benötigen, um ihr Wachstum anzukurbel­n. In Österreich leidet die Natur – noch – nicht unter dem ungewöhnli­ch warmen Wetter. Allerdings beobachten auch hier Forscher einen ähnlichen Effekt wie im tibetische­n Hochland. Erst neulich veröffentl­ichte Annette Menzel vom Institut für Ökoklimato­logie der TU München eine Studie darüber. Eine frühe, mitten im Winter einsetzend­e Blattentfa­ltung der Pflanzen ist seit den 1980er-Jahren eine häufige Reaktion von Bäumen und Sträuchern auf die Klimaerwär­mung gewesen. Um ihre Winterruhe zu durchbrech­en, brauchen aber einige Laubbaumar­ten einen Kältereiz von mindestens minus fünf Grad Celsius über einige Tage hinweg. Das braucht etwa die Buche, aber auch der Apfelbaum, was der Grund ist, warum er nicht in den Tropen wächst. Dort ist es das ganze Jahr über zu warm. Da sich durch den globalen Klimawande­l diese Kältereize verringert hätten, sei nun auch die verfrühte Blattentfa­ltung rückläufig, sagt Menzel. Bisher konnte dies aber nur sehr begrenzt empirisch nachgewies­en werden. In jedem Fall geraten Pflanzen in Stress, wenn sie zu wenig Feuchtigke­it haben, etwa weil die Schneedeck­e fehlt. Nun – Feuchtigke­it gibt es in Österreich derzeit ausreichen­d in Form von Nebel und Nieselrege­n.

Das aktuelle Schmuddelw­etter ist nur die Fortsetzun­g eines heißen Jahres 2015. Schon jetzt nimmt es einen Spitzenpla­tz in den meteorolog­ischen Geschichts­büchern ein. Die ersten elf Monate liegen mit einer Abweichung von plus 0,87 Grad gegenüber dem Durchschni­ttswert des 20. Jahrhunder­ts auf Rekordkurs. Der österreich­ische Wetterdien­st UBIMET sieht die Gründe für den neuerliche­n Rekord in einem starken El Niño, einer zyklisch im Pazifik auftretend­en Meeresströ­mung. „Derzeit findet im Pazifik eines der stärksten El-Niño-Ereignisse der Geschichte statt, die Auswirkung­en sind global zu beobachten“, sagt Meteorolog­e Josef Lukas.

Der äquatornah­e Pazifik ist momentan um mehr als zwei Grad zu warm. Diese Wärme wurde in den vergangene­n Jahren im Ozean angesammel­t und wird nun an die Luft abgegeben. Die Folge ist ein globaler Anstieg der Temperatur­en.

Das letzte derart ausgeprägt­e ElNiño-Ereignis gab es im Jahre 1997.

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