Jetzt wird es ernst. Es geht um die Märkte.
Scheitert Schengen, dann scheitert der Euro. Das fürchtet auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Schon einmal in der jüngsten Vergangenheit der Europäischen Union hat ein Mantra der deutschen Kanzlerin die Stoßrichtung vorgegeben. „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“, sagte Angela Merkel in der Schulden- und Finanzkrise – und damit war klar: Es führt kein Weg vorbei an der Rettung Griechenlands.
Merkels damaliges Mantra wurde zum ungeschriebenen Gesetz. In ihre derzeitige Maxime stimmt hingegen kaum jemand in Europa ein. „Wir schaffen das“, sagte Merkel vor vier Monaten in der Flüchtlingskrise, doch es regen sich immer mehr Zweifel. Sie kommen mittlerweile auch aus der Wirtschaft, die zunehmend vor den negativen Folgen der neuen, alten Grenzkontrollen warnt.
Die Abwärtsspirale skizzierte der luxemburgische EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker bei Reden in den vergangenen Wochen so: Scheitert Schengen, würden nicht nur die Bürger leiden, die zwischen Staaten der EU pendeln, sondern auch der europäische Binnen- markt. Sollte wiederum dieser scheitern, würde das den Euro überflüssig machen. „Eine gemeinsame Währung ergibt keinen Sinn, wenn Schengen scheitert“, lautete Junckers Fazit.
Aber steht Schengen tatsächlich vor dem Scheitern? Auch wenn mehrere Staaten mittlerweile Grenzkontrollen eingeführt haben, bewegt sich doch alles noch im Rahmen der bestehenden Regeln. Grenzkontrollen sind in Ausnahmefällen, sofern sie der EU-Kommission gemeldet werden, für einen bestimmten Zeitraum zulässig. Diesen Zeitraum hat bisher noch kein Land überschritten.
Kontrollen an den Grenzen innerhalb des Schengenraums sind außerdem nicht damit gleichzusetzen, dass „die Grenzen dicht gemacht werden“. EU-Bürger dürfen sich weiterhin frei über die Grenzen bewegen, ihr Recht auf Freizügigkeit erlischt nicht mit den Kontrollen. Auch Waren können innerhalb des Schengenraums ungehindert die Grenzen passieren. Und selbst ohne Schengen würde der Binnenmarkt funktionieren. Zum einen ist er älter als Schengen, funktionierte also schon davor. Zum anderen sind nicht alle Binnenmarktländer auch in der Schengenzone, wie etwa Großbritannien, das ein wichtiges Mitglied des Binnenmarktes ist.
Dennoch bleiben die Kontrollen nicht ohne negativen Effekt. Das kennt man in Salzburg wie auch in anderen Grenzregionen. Staus an der Grenze behindern Pendler. Sie lassen alle, die bisher auf der anderen Seite der Grenze einkauften, zwei Mal überlegen, ob sie den Weg in Kauf nehmen. Sie sorgen für Staus bei Lkw, die Waren nur verzögert ausliefern können. Bringt das den Binnenmarkt zum Scheitern? Es fördert ihn jedenfalls nicht. Ein Beispiel von vielen: Allein die Kontrollen auf der Öresundbrücke zwischen Dänemark und Schweden verursachen pro Jahr einen Schaden in Höhe von 300 Millionen Euro.
STEPHANIE.PACK@SALZBURG.COM