Beethoven könnte Mozart ermordet haben
SALZBURG. Dass Beethoven seinen Komponistenkollegen ermordet hätte, erscheint dem Pianisten Alfred Brendel derart plausibel, dass er diese erfundene Anekdote im Gesprächskonzert am Montagnachmittag in der Großen Aula in Salzburg zum Besten gab – und das mit dem gewichtigen Grund einer Tonart, nämlich des c-Moll. Diese soll der Mordanekdote zufolge „der Übeltäter“Beethoven nach der „ruchlosen Tat“in Besitz genommen haben. Tatsächlich werde c-Moll meist mit Beethoven assoziiert, erläuterte Alfred Brendel. Doch habe auch Mozart in dieser Tonart so komponiert, dass sein c-Moll „mit Übermacht dem Spieler und Hörer entgegentritt“.
Überhaupt kam der Pianist, der allerdings seit 2008 keine Konzerte mehr gibt, bei den üblicherweise als melancholisch oder traurig geltenden Moll-Tonarten mit Blick auf Mozart ins Schwelgen. Dessen „Moll-Atmosphäre“sei außergewöhnlich eindrucksvoll. Sogar: Kein anderer Komponist habe Dur und Moll so wesensfremd voneinander gestaltet.
Noch weitere Spitzfindigkeiten der Interpretation erläuterte Alfred Brendel bei der Salzburger Mozartwoche 2016. So beklagte er das derzeit grassierende „Diminuendo-Virus“. Dass von zwei aufeinander folgenden Noten stets die zweite leiser und kürzer als die erste gespielt werde, gebe Zeugnis dafür, dass man am Klavier „espressivo seufzen kann“. Neben dieser Unart des „Jammer-Klavier“-Spielens zeige sich das Diminuendo-Virus auch immer mehr bei Schlussformen, deren letzte Töne oft „graziös zurückgenommen“würden, obwohl sie „das Ende einer Verdichtung“zu markieren hätten. „Grazie und Gefälligkeit werden in Schlusswendungen hineingetragen, wo sie nicht hingehören“, kritisierte Al-
„Mozarts Klavierkonzerte sind der Gipfel der Musik überhaupt.“
fred Brendel. Mozart sei aber „kein Blumenkind“, seine Musik sei weder weichlich noch vage, weder süßlich noch wie Porzellan. „Selbst wenn Mozart träumt, bleibt sein Rhythmus wach.“
„Primitiv“und unangemessen sei es für Mozarts Musik zudem, sowieso „schwere Taktteile“auch noch zu betonen. Damit werde „das Schweben der Melodie vereitelt“. Die Tugend der Interpretation bestehe – außer bei Märschen und Tänzen – darin, dem Akzentuieren schwerer Taktteile entgegenzuwirken, anders gesagt: statt der Schwere von Takten die Schwerpunkte der musikalischen Themen aufzusuchen.