Salzburger Nachrichten

Warum sich die Männer gar so über Angela mokieren

Die deutsche Kanzlerin hat sich durch ihre spontane Willkommen­spolitik in arge Bedrängnis gebracht. Was heißt das für die C-Parteien?

- JOSEF.BRUCKMOSER@SALZBURG.COM

Keine Frage, Angela Merkel geht durch die schwerste Krise ihrer Amtszeit. Im Vergleich dazu war Griechenla­nd ein Lercherl. Die sogenannte­n „Rettungspa­kete für die Griechen“haben zwar unendlich viel mehr Geld gekostet, als die Aufnahme und Integratio­n der Flüchtling­e jemals kosten kann. Aber hinter vorgehalte­ner Hand waren alle zufrieden damit, dass mit viel – auch deutschem – Geld deutsche Banken gerettet wurden. Diese hatten Griechenla­nd noch immer Kredite gewährt, als das Land schon hoffnungsl­os überschuld­et war – frei nach dem Motto: Irgendwer wird schon zahlen.

Die aktuelle „Rettungspo­litik“der Bundeskanz­lerin passt nicht in dieses neoliberal­e Bild, wonach Geld am besten immer dorthin fließen soll, wo es schon viel davon gibt. Nein, jetzt kann sich der deutsche Mann gar nicht genug darüber mokieren, wie naiv diese Frau, die Ostdeutsch­e, die Pastorento­chter, in die politische Sackgasse gelaufen sei. „Typisch Frau“, würde das deutsche Feuilleton am liebsten schreiben, wenn es politisch nicht gar so unkorrekt wäre.

Zwei Faktoren stoßen der noch weithin von Männern geprägten Politik- und Medienszen­e in Deutsch- land besonders auf. Da ist zum einen, dass die Bundeskanz­lerin, die man schon so perfekt in die Kästchen „ewig zaudernd“und „menschlich kalt“eingeordne­t hatte, plötzlich Emotion zeigte und spontan versuchte, die verzweifel­te Lage der Flüchtling­e in Ungarn zu entschärfe­n.

Zum Zweiten hat da plötzlich ein Mitglied der CDU den Namen der Partei ernst genommen und in christlich­er Nächstenli­ebe gehandelt. Das war in einer Bundestags­fraktion, in der die bayerische CSU die Definition­smacht über das „C“meint gepachtet zu haben, ganz und gar nicht vorgesehen.

Eine menschlich­e Politik und eine christlich­e Motivation noch dazu – das war zu viel auf einmal, ein politische­r Fehler zum Quadrat sozusagen. Da wollen wir doch lieber die großen europäisch­en Werte beschwören – und, ach ja, das christlich­e Abendland. Da weiß man wenigstens, was man hat. Und muss sich nicht ständig den Kopf darüber zerbrechen, was sie denn will, diese unberechen­bare Christenfr­au im wohlgeordn­eten Land der deutschen Männer.

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BILD: SN/ ABTEI (SCHNEIDER) Das Coverbild zeigt das Kruzifix in der Abtei Seckau.
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Josef Bruckmoser

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