Vom Krisenort zum Mustertal
Die vom Umweltgiftskandal betroffene Region Görtschitztal hat einen Masterplan für eine bessere Zukunft entwickelt. Für die Umsetzung benötigt man aber nicht nur viel Geld.
Er ist 52 Seiten stark, umfasst zahlreiche Feststellungen und Forderungen und er soll das durch den Umweltgiftskandal in Verruf geratene Kärntner Tal in eine bessere Zukunft geleiten: Die Rede ist vom „Masterplan Görtschitztal 2015+“. Monatelang haben die durch die Emissionen von Hexachlorbenzol (HCB) betroffenen Anrainergemeinden Maßnahmen erarbeitet, die dem Tal helfen sollen, wieder zurück in die Normalität zu kommen.
„Die Region hat durch den HCB-Schadensfall enormen wirtschaftlichen, sozialen und ökonomischen Schaden genommen“, heißt es in dem Papier. Um zu einer „Wiederherstellung der regionalen Entwicklungsperspektiven“zu gelangen, braucht man Geld. Viel Geld. Aus diesem Grund wird die Errichtung eines „Eigenmittelfonds/Görtschitztalfonds“gefordert. Damit sollten über mehrere Jahre zukunftsweisende Projekte im Tal unterstützt werden. „Der Fonds darf aber nicht Entschädigungen im Schadensfall oder die Sanierung der Deponie in Brückl sowie der Verbrennungsanlagen im Wietersdorfer Zementwerk finanzieren“, sagt Wolfgang Müller, Vorsitzender des Zukunftskomitees Görtschitztal. Für ihn stellt der Fonds die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung des Masterplans dar. Um das Vertrauen der Region in die Landespolitik und in die an der Schadensverursachung beteiligten Betriebe wiederherstellen zu können, wird für eine Reihe von Sofortmaßnahmen plädiert.
Ganz oben steht da die Entschädigung von Landwirten für Schäden, die über den Tausch von Futtermitteln hinausgehen. Diese Schäden sollten von unabhängigen Gutachtern erfasst werden. Weiters will Müller die Daten zum HCBSchadenskataster veröffentlicht haben, zudem eine laufende Information der Region über die Aufarbeitung des Skandals und die Altlastensanierung sowie ständige Bluttests zur Bestimmung der Entwicklung der Belastungswerte. Neben einer vollständigen Aufklärung der Schadensursache – das unsachgemäße Verbrennen von giftigem Blaukalk im Zementwerk Wietersdorf soll die Affäre ausgelöst haben – wünscht sich das Zukunftskomitee noch die Schaffung von kosten- losen Angeboten zur Gesundheitsund Ernährungsberatung für Betroffene. Für die emotionale und psychische Bewältigung des Schadensfalls werden auch psychologische Beratung und therapeutische Behandlungen angeregt.
Zurück zum „Masterplan Görtschitztal 2015+“: Das Leitbild der Region ist die Neupositionierung als „saubere und nachhaltige Rohstoff-, Verarbeitungs-, Umweltmuster- und Biogenussregion“. Auch soll der Ruf des Görtschitztals als attraktiver Wohnstandort wiederhergestellt werden. Wiederaufbau ist auch das Motto für den Tourismus: „Durch den HCB-Schadensfall ist der überregionale Bekanntheitsgrad des Tales zwar stark gestiegen, die Tourismusmarke wurde aber praktisch ruiniert.“
Eine Imagekampagne soll die Neupositionierung der in den Medien als „Gifttal“beschriebenen Region verbreiten. Als Voraussetzung dafür gilt aber eine „glaubhafte Sanierungsstrategie“für die Altlastendeponie Brückl, von wo der Blaukalk stammt. Das Zementwerk wiederum müsse zu einer „gläsernen Anlage“mit ständiger externer Kontrolle werden. Die Umsetzung des Masterplans werde Jahre dauern, sagt Wolfgang Müller: „Jeder, der diesen Masterplan nicht ernst nimmt, nimmt auch die Görtschitztalerinnen und Görtschitztaler nicht ernst.“
„Wer den Masterplan nicht ernst nimmt, nimmt die Anrainer nicht ernst.“