Was die Universität Salzburg zu ihrer Entscheidung bewog
Aus Respekt vor den Menschen, die Opfer mörderischer Ideologien wurden, sehen wir uns zur Aberkennung veranlasst.
SALZBURG. Zu Recht erwartet sich die Gesellschaft und ihre Öffentlichkeit von der Universität einen verantwortungsvollen Umgang mit ihrer Vergangenheit. Das gilt für die hellen und dunklen Seiten ihrer Geschichte gleichermaßen. Stellt sie sich dieser Aufgabe nicht, wird sie von der Vergangenheit in unliebsamer Weise eingeholt. Die Universität Salzburg musste dies wiederholt erleben. Die Diskussionen rund um die Verstrickung in die nationalsozialistische Zeit bei einigen ihrer früheren Mitglieder, aber auch bei von ihr Geehrten zeigen das.
Aufgrund mehrerer Anlässe habe ich mich dafür eingesetzt, unter anderem die „Tabula honorum“, die Liste der Geehrten, zu überprüfen. Dabei wurde festgestellt, dass mehrere von seinerzeit geehrten Persönlichkeiten in die nationalsozialistische Ideologie schwer bis ganz schwer verstrickt waren.
Angesichts dieser Tatsache muss sich die Universität Salzburg selbst den Vorwurf machen, bei einigen Ehrungen, die sie in der Vergangenheit vorgenommen hat, zumindest fahrlässig vorgegangen zu sein. Es ist zweifellos bekannt gewesen, dass einige der von ihr Geehrten eine belastende Vergangenheit hatten. Trotzdem ist diese bei der Beschlussfassung über die Ehrungen nicht zur Sprache gekommen. Wäre sie angesprochen worden, hätten die Ehrungen nicht ausgesprochen werden dürfen. Dass sie dennoch erfolgt sind, betrachtet die Universität als ihren eigenen Fehler.
Mit Fehlern muss man umgehen, sonst stellt man sich ihnen nicht. Es dabei bewenden zu lassen, sie bloß festzustellen oder historisch zu verbuchen, ist vor allem bei Geehrten, mit denen sich eine Universität identifizieren will, nicht möglich. Sie muss Konsequenzen ziehen. In den Fällen von Eduard Paul Tratz, Wolfgang Hefermehl und Konrad Lorenz hat die Universität Salzburg dies in Form der Aberkennung des Ehrendoktorats getan.
In diesem Zusammenhang spielt der überaus unselige Begriff der „Erschleichung“eine Rolle. Leider gab dieses Wort Anlass zu Missverständnissen und löste zu Recht Empörung aus. Es ist die Satzung der Universität, welche die allfällige „Erschleichung“einer Ehrung als den Tatbestand betrachtet, der die Aberkennung eines Titels nach sich zieht. Konrad Lorenz, Nobelpreisträger, hatte es in der Tat als Allerletzter notwendig, sich eine Ehrung zu erschleichen. Sehr wohl entspricht aber der Ehrungsvorgang als Ganzer durch das Verschulden der Universität diesem Tatbestand. Es kam eben nicht zur Sprache, was unbedingt hätte angesprochen werden müssen. Zu diesem Fehler bekennt sich die Universität.
Was konkret das Ehrendoktorat von Konrad Lorenz anbelangt, so erscheint auf der Basis historischer Analysen sein Bekenntnis zur nationalsozialistischen Weltanschauung (Ende der 30er-, Anfang der 40er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts) viel gravierender und weitgehender als jenes anderer auf der „Tabula honorum“. Über seine Vergangenheit hinwegzuschauen und gleichzeitig bei anderen, weniger belasteten Personen genau zu werden, wäre ebenso unehrlich wie ungerecht gewesen. Hätte sich die Universität auf diesen Standpunkt gestellt, wäre die Konsequenz gewesen, sogleich jegliche Befassung mit ihrer Geschichte einzustellen.
Bei Konrad Lorenz waren für den Grund der Aberkennung nicht nur Sätze wie diese relevant: „Ich war als Deutschdenkender und Naturwissenschaftler selbstverständlich immer Nationalsozialist . . . Ich habe unter Wissenschaftlern und vor allem Studenten eine wirklich erfolgreiche Werbetätigkeit entfaltet, schon lange vor dem Umbruch war es mir gelungen, sozialistischen Studenten die biologische Unmöglichkeit des Marxismus zu beweisen und sie zum Nationalsozialismus zu bekehren . . . Schließlich darf ich wohl sagen, dass meine ganze wissenschaftliche Lebensarbeit, in der stammesgeschichtliche, rassenkundliche und sozialpsychologische Fragen im Vordergrund stehen, im Dienste nationalsozialistischen Denkens steht.“
Viel schwerer wog seine Empfehlung, der „Verhaustierung“des Menschen durch „Ausmerzen“und „Abwehr“von „Ausfallstypen“zu begegnen: „So wie beim Krebs . . . der leidenden Menschheit nichts anderes geraten werden kann als möglichst frühzeitiges Erkennen und Ausmerzen des Übels, so beschränkt sich auch die rassehygienische Abwehr gegen die mit Ausfallserscheinungen behafteten Elemente auf die gleichen recht primitiven Maßnahmen . . .“
Lorenz hat diese Äußerungen in der Tat später bedauert und zurückgenommen. Unter anderem verteidigte er sich damit, seinerzeit nicht gewusst zu haben, was „Ausmerzen“bedeutet habe. Das kann jedoch nicht stimmen, schreibt er doch selbst, was unter „Ausmerzen“zu verstehen ist, nämlich die Beschränkung der „rassehygienische[n] Abwehr . . . auf die gleichen recht primitiven Maßnahmen“wie in der Natur, wie beim „Krebs“. Was sollte dies anderes sein, als was der nationalsozialistische Terror gegen Behinderte, Andersdenkende und vor allem Andersrassige unternommen hat? Diese Entschuldigung lässt sich bei bestem Willen nicht nachvollziehen.
Die Universität Salzburg maßt sich mit dieser Feststellung kein ethisches Urteil an, sie erhebt sich auch nicht moralisch über Konrad Lorenz. Ebenso wenig behauptet jemand, in Zeiten des staatlichen Terrors selbst ein Held (gewesen) zu sein. Aus Respekt vor den Menschen jedoch, die Opfer von mörderischen Ideologien wurden und werden, mit Rücksicht aber auch auf jene von ihr geehrten Personen, die sich nie einer solchen Ideologie angenähert haben, sogar Opfer derselben waren, schließlich in dem Willen, mit ihrer eigenen Vergangenheit verantwortungsbewusst umzugehen, sieht sie sich zu Schritten wie jenen der Aberkennung von Ehrungen veranlasst.
Niemand, auch an der Universität Salzburg nicht, bezweifelt, dass Konrad Lorenz ein großer, wegweisender Forscher und Wissenschafter von Weltrang war. Das wird er immer bleiben, das macht ihm niemand streitig. Ebenso wenig wird jemand seine Verdienste im Einsatz für Natur und Umwelt kleinreden. Dies alles sollte berücksichtigt werden, bevor der Universität Salzburg vorgeworfen wird, sie habe sich „unwürdig“, „schäbig“, „kleingeistig“, „bodenlos“oder „unerträglich erbärmlich“selbst „besudelt“.
„Kein ethisches Urteil.“