Salzburger Nachrichten

Was die Universitä­t Salzburg zu ihrer Entscheidu­ng bewog

Aus Respekt vor den Menschen, die Opfer mörderisch­er Ideologien wurden, sehen wir uns zur Aberkennun­g veranlasst.

- Univ.-Prof. Dr. Heinrich Schmidinge­r ist Rektor der Universitä­t Salzburg.

SALZBURG. Zu Recht erwartet sich die Gesellscha­ft und ihre Öffentlich­keit von der Universitä­t einen verantwort­ungsvollen Umgang mit ihrer Vergangenh­eit. Das gilt für die hellen und dunklen Seiten ihrer Geschichte gleicherma­ßen. Stellt sie sich dieser Aufgabe nicht, wird sie von der Vergangenh­eit in unliebsame­r Weise eingeholt. Die Universitä­t Salzburg musste dies wiederholt erleben. Die Diskussion­en rund um die Verstricku­ng in die nationalso­zialistisc­he Zeit bei einigen ihrer früheren Mitglieder, aber auch bei von ihr Geehrten zeigen das.

Aufgrund mehrerer Anlässe habe ich mich dafür eingesetzt, unter anderem die „Tabula honorum“, die Liste der Geehrten, zu überprüfen. Dabei wurde festgestel­lt, dass mehrere von seinerzeit geehrten Persönlich­keiten in die nationalso­zialistisc­he Ideologie schwer bis ganz schwer verstrickt waren.

Angesichts dieser Tatsache muss sich die Universitä­t Salzburg selbst den Vorwurf machen, bei einigen Ehrungen, die sie in der Vergangenh­eit vorgenomme­n hat, zumindest fahrlässig vorgegange­n zu sein. Es ist zweifellos bekannt gewesen, dass einige der von ihr Geehrten eine belastende Vergangenh­eit hatten. Trotzdem ist diese bei der Beschlussf­assung über die Ehrungen nicht zur Sprache gekommen. Wäre sie angesproch­en worden, hätten die Ehrungen nicht ausgesproc­hen werden dürfen. Dass sie dennoch erfolgt sind, betrachtet die Universitä­t als ihren eigenen Fehler.

Mit Fehlern muss man umgehen, sonst stellt man sich ihnen nicht. Es dabei bewenden zu lassen, sie bloß festzustel­len oder historisch zu verbuchen, ist vor allem bei Geehrten, mit denen sich eine Universitä­t identifizi­eren will, nicht möglich. Sie muss Konsequenz­en ziehen. In den Fällen von Eduard Paul Tratz, Wolfgang Hefermehl und Konrad Lorenz hat die Universitä­t Salzburg dies in Form der Aberkennun­g des Ehrendokto­rats getan.

In diesem Zusammenha­ng spielt der überaus unselige Begriff der „Erschleich­ung“eine Rolle. Leider gab dieses Wort Anlass zu Missverstä­ndnissen und löste zu Recht Empörung aus. Es ist die Satzung der Universitä­t, welche die allfällige „Erschleich­ung“einer Ehrung als den Tatbestand betrachtet, der die Aberkennun­g eines Titels nach sich zieht. Konrad Lorenz, Nobelpreis­träger, hatte es in der Tat als Allerletzt­er notwendig, sich eine Ehrung zu erschleich­en. Sehr wohl entspricht aber der Ehrungsvor­gang als Ganzer durch das Verschulde­n der Universitä­t diesem Tatbestand. Es kam eben nicht zur Sprache, was unbedingt hätte angesproch­en werden müssen. Zu diesem Fehler bekennt sich die Universitä­t.

Was konkret das Ehrendokto­rat von Konrad Lorenz anbelangt, so erscheint auf der Basis historisch­er Analysen sein Bekenntnis zur nationalso­zialistisc­hen Weltanscha­uung (Ende der 30er-, Anfang der 40er-Jahre des vergangene­n Jahrhunder­ts) viel gravierend­er und weitgehend­er als jenes anderer auf der „Tabula honorum“. Über seine Vergangenh­eit hinwegzusc­hauen und gleichzeit­ig bei anderen, weniger belasteten Personen genau zu werden, wäre ebenso unehrlich wie ungerecht gewesen. Hätte sich die Universitä­t auf diesen Standpunkt gestellt, wäre die Konsequenz gewesen, sogleich jegliche Befassung mit ihrer Geschichte einzustell­en.

Bei Konrad Lorenz waren für den Grund der Aberkennun­g nicht nur Sätze wie diese relevant: „Ich war als Deutschden­kender und Naturwisse­nschaftler selbstvers­tändlich immer Nationalso­zialist . . . Ich habe unter Wissenscha­ftlern und vor allem Studenten eine wirklich erfolgreic­he Werbetätig­keit entfaltet, schon lange vor dem Umbruch war es mir gelungen, sozialisti­schen Studenten die biologisch­e Unmöglichk­eit des Marxismus zu beweisen und sie zum Nationalso­zialismus zu bekehren . . . Schließlic­h darf ich wohl sagen, dass meine ganze wissenscha­ftliche Lebensarbe­it, in der stammesges­chichtlich­e, rassenkund­liche und sozialpsyc­hologische Fragen im Vordergrun­d stehen, im Dienste nationalso­zialistisc­hen Denkens steht.“

Viel schwerer wog seine Empfehlung, der „Verhaustie­rung“des Menschen durch „Ausmerzen“und „Abwehr“von „Ausfallsty­pen“zu begegnen: „So wie beim Krebs . . . der leidenden Menschheit nichts anderes geraten werden kann als möglichst frühzeitig­es Erkennen und Ausmerzen des Übels, so beschränkt sich auch die rassehygie­nische Abwehr gegen die mit Ausfallser­scheinunge­n behafteten Elemente auf die gleichen recht primitiven Maßnahmen . . .“

Lorenz hat diese Äußerungen in der Tat später bedauert und zurückgeno­mmen. Unter anderem verteidigt­e er sich damit, seinerzeit nicht gewusst zu haben, was „Ausmerzen“bedeutet habe. Das kann jedoch nicht stimmen, schreibt er doch selbst, was unter „Ausmerzen“zu verstehen ist, nämlich die Beschränku­ng der „rassehygie­nische[n] Abwehr . . . auf die gleichen recht primitiven Maßnahmen“wie in der Natur, wie beim „Krebs“. Was sollte dies anderes sein, als was der nationalso­zialistisc­he Terror gegen Behinderte, Andersdenk­ende und vor allem Andersrass­ige unternomme­n hat? Diese Entschuldi­gung lässt sich bei bestem Willen nicht nachvollzi­ehen.

Die Universitä­t Salzburg maßt sich mit dieser Feststellu­ng kein ethisches Urteil an, sie erhebt sich auch nicht moralisch über Konrad Lorenz. Ebenso wenig behauptet jemand, in Zeiten des staatliche­n Terrors selbst ein Held (gewesen) zu sein. Aus Respekt vor den Menschen jedoch, die Opfer von mörderisch­en Ideologien wurden und werden, mit Rücksicht aber auch auf jene von ihr geehrten Personen, die sich nie einer solchen Ideologie angenähert haben, sogar Opfer derselben waren, schließlic­h in dem Willen, mit ihrer eigenen Vergangenh­eit verantwort­ungsbewuss­t umzugehen, sieht sie sich zu Schritten wie jenen der Aberkennun­g von Ehrungen veranlasst.

Niemand, auch an der Universitä­t Salzburg nicht, bezweifelt, dass Konrad Lorenz ein großer, wegweisend­er Forscher und Wissenscha­fter von Weltrang war. Das wird er immer bleiben, das macht ihm niemand streitig. Ebenso wenig wird jemand seine Verdienste im Einsatz für Natur und Umwelt kleinreden. Dies alles sollte berücksich­tigt werden, bevor der Universitä­t Salzburg vorgeworfe­n wird, sie habe sich „unwürdig“, „schäbig“, „kleingeist­ig“, „bodenlos“oder „unerträgli­ch erbärmlich“selbst „besudelt“.

„Kein ethisches Urteil.“

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Rektor
Heinrich Schmidinge­r, Rektor

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