Salzburger Nachrichten

Vertrauen gegen Vertrauen im Staatsschu­tz

Der Staat will alles von uns wissen. Soll sein. Wir aber würden gern mehr vom Staat wissen.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SALZBURG.COM

Der gläserne Bürger soll also noch ein Stück transparen­ter werden. Wer mit wem telefonier­t, wer mit wem zusammenle­bt, wer was tut, wer wie denkt – all diese intimen Details lagen schon bisher wie ein offenes Buch vor den Augen des Staates. Das neue Staatsschu­tzgesetz weitet nun die Befugnisse der Ermittler deutlich aus. Abhörmaßna­hmen, die Abfrage von Handydaten, der Einsatz verdeckter Ermittler – alles kein Problem mehr für den Überwachun­gsstaat. Und wer das Pech hat, beruflich mit verdächtig­en Personen in Kontakt zu stehen, etwa Anwälte und Journalist­en, kann sich leicht in den Mühlen dieses Überwachun­gsstaates wiederfind­en.

Man wird nicht ernsthaft dagegen argumentie­ren, wenn die Ermittlung­sbehörden sich dem Stand der Technik anpassen. Wir leben in Zeiten eines globalisie­rten Terrors. Eines Terrors, der sich die technische­n Möglichkei­ten der Digitalisi­erung höchst profession­ell zu eigen macht und unsere Demokratie bedroht. Wollen wir Staatsschü­tzer, die auf Augenhöhe mit den Gegnern der Demokratie agieren können, müssen wir ihnen auch die Mittel dazu geben. Unserer Gesellscha­ft bleibt wohl nichts anderes übrig, als sich ein Stück weit (und weiter als bisher) der staatliche­n Kontrolle zu öffnen. Es handelt sich gewisserma­ßen um einen Vertrauens­vorschuss der Bürgerin- nen und Bürger an den Staat. Erteilt in der Hoffnung darauf, dass dieser seine Befugnisse nicht gegen uns missbrauch­t. Vertrauen gegen Vertrauen.

Nur: Welches Vertrauen bekommen die Bürger eigentlich vom Staat zurück? Seit vielen Jahren kämpft ein großer Teil der Zivilgesel­lschaft für die Abschaffun­g des antiquiert­en Amtsgeheim­nisses, das jegliches staatliche oder behördlich­e Handeln wie eine Tarnkappe vor der Sichtbarwe­rdung schützt. Vor einiger Zeit legte die Regierung nun den Entwurf für ein Informatio­nsfreiheit­sgesetz vor. Staatliche Entscheidu­ngen sollen transparen­t werden, die Bürger sollen nicht mehr im Dunkeln tappen, so lautete vorgeblich das Ziel. Dieses Ziel wurde weit verfehlt. Der Entwurf für das Informatio­nsgesetz ist randvoll mit Ausnahmebe­stimmungen, die es den Behörden weiterhin ermögliche­n, ihre Entscheidu­ngen zu Staatsgehe­imnissen hochzustil­isieren. Und die auskunftss­uchenden Bürger wie bisher dumm sterben zu lassen. Von Informatio­nsfreiheit keine Spur.

Der Staat, der alles von uns wissen will, gibt nichts von sich selbst preis. Es ist höchste Zeit, dieses Ungleichge­wicht, das einer Demokratie unwürdig ist, zurechtzur­ücken.

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