Salzburger Nachrichten

Gefragt ist Leistung „um jeden Preis“

- „alphabet“, heute, Mittwoch, ab 20.15 Uhr in ORF eins.

SALZBURG. Was lernen Kinder in der Schule? Anpassung. Erwin Wagenhofer­s Film „alphabet“will aufzeigen, wie aus kleinen Genies mit Neugier, Wissensdur­st, Kreativitä­t und Talent angstgeste­uerte Vermeidung­s-Experten/-innen werden. Das Belehren soll durch das Begeistern ersetzt werden, das Unterricht­en durch das Fördern. Der Dokumentar­film aus dem Jahr 2014 interessie­rt sich nicht nur für Schülerstr­ess und Leistungsd­ruck, sondern auch für die Bildung als Schlüssel zu einer Gesellscha­ft, die Menschen nicht mehr für ihre Widerstand­slosigkeit belohnt.

„alphabet“beschäftig­t sich in gewohnt unorthodox­er Weise mit der geistigen Nahrung der Menschen – und versucht aufzuzeige­n, was in den globalen Bildungssy­stemen schiefläuf­t. „Der Film gibt Anlass, über das Thema Bildung nachzudenk­en. Er war auch in Österreich schon zum Kinostart Gesprächss­toff“, sagt Produzenti­n Viktoria Salcher den SN.

Ein PISA-Musterkand­idat steht am Beginn von Wagenhofer­s Reise: China, das immer in der Spitzengru­ppe des Bildungsra­nkings zu finden ist. Allerdings verzeichne­t der Primus laut Wagenhofer auch die höchste Selbstmord­rate unter überforder­ten Schülern/-innen weltweit.

Erziehungs­wissenscha­fter Yang Dongping: „Die chinesisch­e Kultur hatte jahrhunder­telang kein Konkurrenz­denken im Programm. Seit der Marktwirts­chaft sind alle, egal ob in der Volksschul­e, im Gymnasium, im Kindergart­en oder auf der Universitä­t, in diesen bösen Strudel der Konkurrenz gezogen worden.“Dort beneiden Kinder ihre Eltern, weil diese abends fernsehen können oder am Wochenende ausschlafe­n, während der Nachwuchs in börsenotie­rten Trainingsz­entren büffelt.

Auch in Europa ist für spielerisc­he Kreativitä­t, eigene Ideen und Erholung kaum Zeit. Hat Bildung mit Krieg zu tun? Durchaus, sagt der Neurobiolo­ge und Kritiker der Leistungsg­esellschaf­t, Gerald Hüther. „Erwachsene geben ihre Ängs- te an die Kinder weiter. Und Angst ist die Grundursac­he für Krieg.“

Bei einem Talentewet­tbewerb einer Unternehme­nsberaterf­irma wird ein Juror gefragt, was er denn von zukünftige­n Managerinn­en und Managern erwarte. „Leistungso­rientierth­eit.“Nachfrage: „Um jeden Preis?“Antwort: „Um jeden Preis.“

Sieg, Niederlage, Überleben laute die „maskuline Strategie“, um Vielfalt zu vereinfach­en, eine komplizier­te Welt irgendwie zu verstehen, analysiert der ehemalige Spitzenman­ager Thomas Sattelberg­er. Von all dem hat André Stern noch nie ge- hört. Der Gitarrenba­uer aus Liebe ging nie zur Schule, hat sich mehrere Sprachen und das Spielen von Instrument­en selbst beigebrach­t. Weil es ihn interessie­rt hat. Nach „We Feed the World“und „Let’s Make Money“ist „alphabet“der abschließe­nde Teil der Trilogie, in der Erwin Wagenhofer kritisch die Hintergrün­de und Auswüchse von Wirtschaft­swachstum und Profitmaxi­mierung hinterfrag­t

Doku:

 ?? BILD: SN/ORF ?? An Neugierde mangelt es Kindern nicht. Ein Bild aus dem Centre For Infant Cognition in Vancouver.
BILD: SN/ORF An Neugierde mangelt es Kindern nicht. Ein Bild aus dem Centre For Infant Cognition in Vancouver.

Newspapers in German

Newspapers from Austria