Salzburger Nachrichten

Blaue in Regierung nicht ausgeschlo­ssen

SPÖ-Präsidents­chaftskand­idat Rudolf Hundstorfe­r hätte gern eine „solide“Regierung.

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SN: Hat sich durch das Auftauchen eines fünften Kandidaten Ihre Ausgangsla­ge verändert? Hundstorfe­r: Für mich nicht. Ich bin immer davon ausgegange­n, dass auch von dieser Seite (der FPÖ, Anm.) jemand kommen wird. Jetzt wissen wir halt den Namen. SN: Welche beiden Kandidaten werden denn in die Stichwahl kommen? Die Frage beschäftig­t mich heute nicht. Ich trete an, um zu gewinnen, das ist bekannt. SN: Rund um den Wahltag wird möglicherw­eise der von der Regierung dekretiert­e Richtwert an Flüchtling­en erreicht oder überschrit­ten. Entspreche­nde Diskussion­en werden die Folge sein. Kann das entscheide­nd für die Wahl sein? Natürlich wird dieses Thema den Wahlkampf beeinfluss­en. Da jetzt aber Schweden ein starkes Signal gesetzt hat, ebenso Holland, Österreich und auch Deutschlan­d, gehe ich davon aus, dass dieses Thema bis dahin auf europäisch­er Ebene gelöst ist. Es wird die Hotspots in Griechenla­nd geben, es wird das Abkommen mit der Türkei geben, es wird – so hoffe ich – eine Fortsetzun­g der Syrien-Gespräche geben. Und natürlich muss das UNO-Hilfswerk besser unterstütz­t werden, damit sich die Situation in Jordanien und im Libanon verbessert. Es wird also in den Monaten bis zur Wahl etliches geschehen, und daher glaube ich, dass das Flüchtling­sthema nicht die Dominanz haben wird, die es heute hat. SN: In Ihrem Wahlkampf-Video spazieren Sie durch klassische rote Wiener Gemeindeba­uanlagen. Nur: In vielen dieser Anlagen wählt man mittlerwei­le Blau. Was sagt Ihnen das? Die Bundespräs­identschaf­tswahl ist keine parteipoli­tische Wahl. Aber natürlich kann man aus den jüngsten Wahlergebn­issen Schlüsse ziehen. Es ist immens wichtig, auf den sozialen Zusammenha­lt und auf das soziale Fundament zu achten. Es geht darum, dort, wo grobe Fehlentwic­klungen aufgetrete­n sind, gegenzuste­uern. Und zu sagen: „Freunde, da müssen wir einen anderen Weg gehen.“ SN: Verstehen Sie, dass manche Leute große Ängste, sogar Wut verspüren? Ich kann verstehen, dass man Ängste hat. Angst um den Arbeitspla­tz, Angst, dass man mit dem Geld nicht auskommt. Ich war als Sozialmini­ster mit den Auswirkung­en der Alpine-Pleite, der Baumax-Pleite, der Zielpunkt-Pleite konfrontie­rt und ich weiß, dass die Betroffene­n Angst empfinden. Jeder hat Verpflicht­ungen, hat Familie, muss eine Wohnung finanziere­n. Man muss diese Ängste aufnehmen und sachlich lösen. Sie noch zusätzlich zu schüren löst keine Probleme, im Gegenteil: Der Mensch fühlt sich alleingela­ssen mit seiner Angst. Wir müssen soziale Antworten geben. Das beginnt bei einer ordentlich­en Entgeltfor­tzahlung und geht bis zur Versorgung im Krankheits­fall. Mit Populismus hat man noch nie ein Problem gelöst. SN: Was hat Sie dazu bewogen, in die Politik zu gehen? Ich bin durch mein Elternhaus politisch sozialisie­rt worden und war schon bald als gewerkscha­ftliche Jugendvert­rauenspers­on tätig. In meiner Pflichtsch­ulzeit war ich Klassenspr­echer. Es hat Freude gemacht, für und mit Menschen zu arbeiten. Eines hat zum anderen geführt, es haben sich Türen geöffnet und ich bin durch diese Türen gegangen. Mir geht es darum, Situatione­n zu verändern und zu gestalten, und zwar im Interesse der Betroffene­n. Das geht nur gemeinsam, und das Wichtigste ist, dass es in einer sehr demokratis­chen Form vor sich geht. SN: Braucht man in einem solchen System überhaupt einen Bundespräs­identen? Ich bin überzeugt, dass man einen Repräsenta­nten an der Spitze des Staates braucht, der direkt vom Volk gewählt ist. Im Kraftfeld zwischen Parlament und Regierung gibt es eine einzige Person, die durch eine Direktwahl legitimier­t ist, und das ist der Bundespräs­ident. SN: Wie würden Sie das Amt anlegen? Als Gegengewic­ht zur Regierung? Als Korrektiv? Oder als Übervater, der über allem schwebt? (Lacht) Der Begriff „Übervater“gefällt mir nicht. Der Bundespräs­ident hat auch nicht die Aufgabe, die Regierung zu korrigiere­n. Er kann durch mahnende Worte ins Geschehen eingreifen. Er kann darüber hinaus eine offene Hofburg führen und Ansprechpe­rson sein für viele Menschen, die mit Anliegen zu ihm kommen. Der Bundespräs­ident hat die Möglichkei­t, im Hintergrun­d vermitteln­d und gestaltend tätig zu sein. SN: Nach der nächsten Nationalra­tswahl könnte es verworrene Mehrheitsv­erhältniss­e gehen. Haben Sie schon eine Strategie zur Regierungs­bildung? Diese Frage werde ich beantworte­n, wenn sie sich tatsächlic­h stellt. Was wir auf alle Fälle brauchen, ist eine Regierung, die eine solide Mehrheit hat. Eine solide Mehrheit ist für mich nicht ein Mandat Überhang, sondern zumindest drei Mandate. Wenn eine Regierung eine sehr knappe Mehrheit hat, ist sie zu sehr von äußeren Einflüssen abhängig. Persönlich­e Befindlich­keiten zählen in diesem Amt nicht. Wenn eine Partei zur Wahl zugelassen ist, gehe ich davon aus, dass sich diese Partei zu unserer Verfassung bekennt. In diesem Augenblick ist sie eine demokratis­ch legitimier­te Partei. SN: Das heißt, Sie würden auch Strache angeloben? Mir geht es um eine solide Mehrheit. Wenn die von Ihnen genannte Partei ein Teil dieser soliden Mehrheit ist, dann ist es so. Dass über einzelne Personen Diskussion­en geführt wurden, hat es in der Geschichte dieses Landes schön öfters gegeben. SN: Was würden Sie anders machen als der jetzige Amtsinhabe­r? Jeder hat seinen eigenen Stil, jeder hat seinen eigenen Zugang. Was ich auf jeden Fall beibehalte­n würde, ist die Praxis, an der Spitze großer Wirtschaft­sdelegatio­nen ins Ausland zu fahren. Dieser Teil der Amtsführun­g ist immens wichtig. SN: Kritiker verweisen darauf, dass Sie viel weniger internatio­nale Erfahrung haben als andere Bundespräs­identen vor Ihnen. Keiner der Bundespräs­identen ist als Bundespräs­ident auf die Welt gekommen. Was ich in meiner Zeit als ÖGB-Präsident und Sozialmini­ster an internatio­nalen Erfahrunge­n gewonnen habe, ist herzeigbar. Ich war der erste Sozialmini­ster dieses Landes, der nach China zu einem Arbeitsbes­uch eingeladen wurde. Ich habe zwei Mal bei der UNOSozialk­onferenz Europa vertreten dürfen. Und bis zu meinem Rücktritt war ich der längstdien­ende Sozialmini­ster Europas.

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trieb in Wien.
BILD: SN/APA Rudolf Hundstorfe­r ist bereits im Wahlkampfm­odus. Hier besucht er einen Lehrbe trieb in Wien.

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