Wenn der Hass explodiert
Handgranate wurde auf eine Asylunterkunft in Deutschland geworfen.
BERLIN. Die Anschläge auf Flüchtlingsheime in Deutschland eskalieren: Erstmals wurde in Villingen-Schwenningen im Schwarzwald eine Handgranate benutzt, die allerdings nicht explodierte. Ein Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma hatte die Granate um 1.30 Uhr am Freitag entdeckt und die Polizei alarmiert. Die Granate wurde von der Polizei gezielt gesprengt. Die 104 im Heim lebenden Flüchtlinge blieben unverletzt.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) reagierte entsetzt: „Das ist wirklich unfassbar, dass jetzt schon mit Handgranaten, quasi mit militärischen Waffen, auf Asylsuchende losgegangen wird.“Extremismus, der die rote Linie überschreite und zu Gewalt übergehe, müsse gesellschaftlich radikal geächtet werden. Jus- tizminister Heiko Maas (SPD) will die Täter nicht ungestraft davonkommen lassen: „Sprengkörper auf Flüchtlingsheime fliegen heute schon. Wir dürfen nicht abwarten, bis es die ersten Toten gibt.“
Angriffe auf Flüchtlingsheime haben 2015 massiv zugenommen. Registriert wurden 1.000 Straftaten – fünf Mal so viele wie im Jahr zuvor. Überwiegend geht es dabei um Sachbeschädigungen. Aber es sind auch 92 verübte und 13 versuchte Brandstiftungen darunter. 901 Taten wurden durch rechts motivierte Täter verübt. Darunter sind viele, die zuvor nicht als rechtsextrem aufgefallen sind. Nach den jüngsten Brandanschlägen ist die Justiz dazu übergegangen, Täter nicht nur wegen Brandstiftung, sondern wegen versuchten Mordes anzuklagen, was das Strafmaß erhöht.
Der Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zick bemerkt, dass Polizei und Justiz von dieser Entwicklung überrascht worden sind: „Die Behörden waren zum Teil überhaupt nicht darauf vorbereitet, dass Bürger aus der Mitte der Gesellschaft sich von extremistischen Gruppen haben anstecken lassen.“Diese Bürger glaubten, dass das Anzünden einer noch nicht bewohnten Asylunterkunft strafrechtlich nicht relevant sei. „Bei vielen Menschen gibt es nicht nur eine Einstellung gegen Flüchtlinge, sondern auch eine Einstellung, dass man etwas tun müsse. Sie fühlen sich ,gedrängt‘ dazu, ein Zeichen zu setzen.“
In den 1990er-Jahren waren bei fremdenfeindlichen Brandanschlägen acht Menschen getötet und Dutzende verletzt worden.
„Nicht warten, bis es auch Tote gibt.“