Salzburger Nachrichten

Radikaler Prediger vor Gericht

Hochspannu­ng vor vier brisanten Prozessen gegen mutmaßlich­e Dschihadis­ten in Graz. Erstmals werden in Österreich terroristi­sche Straftaten bis hin zum Mord verhandelt.

- Sprecher des Landesgeri­chts Graz

GRAZ. Wenn am kommenden Dienstag im Grazer Straflande­sgericht der erste von insgesamt vier Prozessen gegen Dschihadis­ten beginnen wird, gleicht das Gebäude einer Festung. Die Kontrollen bei der Sicherheit­sschleuse am Eingang werden verstärkt, vor dem Haupteinga­ng werden schwer bewaffnete Polizisten patrouilli­eren. Im gesamten Gebäude herrscht nach einer Änderung der Hausordnun­g absolutes Fotografie­r- und Filmverbot. „Es sind Hochrisiko­prozesse“, sagt ein Sprecher des Landesgeri­chts.

Medienvert­reter müssen sich akkreditie­ren und wurden schon im Vorfeld ausdrückli­ch ersucht, von einer Nennung der Namen der Richter und Staatsanwä­lte in ihren Berichten abzusehen. Aus Sicherheit­sgründen, wie es heißt. Was den Verantwort­lichen des Landesgeri­chts für Strafsache­n Sorge bereitet? Erstmals in Österreich stehen Dschihadis­ten vor Gericht, denen terroristi­sche Straftaten bis hin zum Mord angelastet werden. In vier brisanten Verfahren – zwei Geschworen­en- und zwei Schöffenve­rhand- lungen – werden insgesamt 13 Personen auf der Anklageban­k Platz nehmen. Den Auftakt im Prozessrei­gen macht am Dienstag die Verhandlun­g gegen Fikred B. wegen der Verbrechen der terroristi­schen Vereinigun­g und der kriminelle­n Organisati­on. Bis zum Anfang März erwarteten Urteil sind vier Verhandlun­gstage vorgesehen. Am 5. Februar wiederum findet der nur für einen Tag anberaumte Prozess gegen acht weitere Verdächtig­e statt, denen neben terroristi­scher Vereinigun­g auch Falschauss­age vorgeworfe­n wird.

Am 22. Februar beginnt dann das mit Hochspannu­ng erwartete Verfahren gegen den 34-jährigen serbischen Staatsbürg­er Mirsad O., der für die Justiz als „Hauptideol­oge für den globalen dschihadis­tischen Islamismus“gilt und seit November 2014 in Graz in Untersuchu­ngshaft sitzt. Er war bei einer Großrazzia unter dem Codenamen „Operation Palmyra“, die im November zeitgleich in Graz, Wien und Linz stattgefun­den hatte, festgenomm­en worden. Gemeinsam mit dem 28jährigen Tschetsche­nen Mucharbek T. soll Mirsad O. von Juli 2013 bis Juni 2014 in Syrien und im Irak die terroristi­sche Vereinigun­g „Islamische­r Staat“(IS) unterstütz­t ha- ben. Mirsad O. war 1992 mit seinen Eltern nach Österreich gekommen, ab 2001 interessie­rte er sich verstärkt für den Islam. Nach Studien der arabischen Sprache und islamische­n Rechtswiss­enschaft in Jordanien und Saudi-Arabien kehrte er nach Österreich zurück und predigte an der österreich­isch-ägyptische­n Privatschu­le unter seinem islamische­n Namen Ebu Tejma. Fallweise soll er sich auch Abu Tejma genannt haben. Ab 2009 soll er als Vordenker der radikalisl­amischen Szene in Österreich agiert und über Vorträge und das Internet Kämpfer für den IS angeworben haben. Experten halten Mirsad O. für eine der Zentralfig­uren bei der Anwerbung für den sogenannte­n Heiligen Krieg. Einer der Angeworben­en war der Mitangekla­gte Mucharbek T. Der gebürtige Russe war während des zweiten Tschetsche­nien-Kriegs nach Österreich gekommen und erhielt mit seiner Familie im Herbst 2004 Asyl. Sieben Jahre später lern- te er bei einem islamistis­chen Glaubensve­rein in Wien Mirsad O. kennen. Der wegen Körperverl­etzung Vorbestraf­te soll sich im September 2013 dem IS angeschlos­sen haben und ins Kriegsgebi­et gereist sein. Am 10. Juni 2014 kehrte Mucharbek T. wieder zurück nach Österreich. „Im Zuge seines Einsatzes soll er von Mitte Dezember 2013 bis Ende Jänner 2014 an verschiede­nen Orten in Syrien eine nicht näher bekannte Anzahl syrischer Zivilisten vorsätzlic­h getötet und Einwohner unter Einsatz von Waffengewa­lt aus ihren Häusern vertrieben haben“, heißt es in der Anklagesch­rift.

Beide Angeklagte sollen – so die Staatsanwa­ltschaft Graz – die Errichtung eines nach radikalisl­amischen Grundsätze­n ausgericht­eten totalitäre­n Gottesstaa­tes (Kalifat) „maßgeblich unterstütz­t haben“. Die Verteidigu­ng von Mirsad O. hatte in der Vergangenh­eit die Vorwürfe gegen ihren Mandanten zurückgewi­esen.

Noch keinen Verhandlun­gstermin gibt es für das vierte Verfahren, den Geschworen­enprozess gegen Sevket G. und Ömer G. Ihnen wird das Verbrechen der terroristi­schen Straftaten (schwere Nötigung, Mord und Mordversuc­h) vorgeworfe­n.

„Die Verfahren gegen die Dschihadis­ten sind Hochrisiko-Prozesse.“

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