Salzburger Nachrichten

Und ewig lockt die Quotenfall­e

Die Einschaltz­iffern sind ein guter Ausweis für Popularitä­t – und eine ständige Gefährdung der Programmqu­alität.

- Ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Von 77 auf 33 Prozent ist der Anteil des ORF am Fernsehpub­likumsmark­t im vergangene­n Vierteljah­rhundert gesunken. Das erscheint wie ein rasanter Absturz, doch der Talboden ist noch längst nicht erreicht: In Deutschlan­d führt das ZDF mit 12,5 Prozent. Zum Vergleich: Der ORF-Wert entsteht aus 11,8 Prozent für das erste und 21,3 für das zweite Programm.

Der österreich­ische öffentlich-rechtliche Anbieter steht also verhältnis­mäßig ähnlich gut da wie das schweizeri­sche Pendant: Dort schafft die SRG mit einer Zweikanals­trategie 11,0 und 19,4 Prozent. Dazu kommt – wie hierzuland­e ORF III – noch SRG info.

Wenn dennoch in beiden Alpenstaat­en dieser „service public“durchaus zur Diskussion steht, liegt das paradoxerw­eise auch an seiner Quotenorie­ntierung. Denn das deutsche Beispiel mit 15 Jahren Vorsprung an Privat-TV zeigt, dass die Einschaltz­iffern nur schlechter werden können. Bei gleichzeit­ig steigender Gebührenfi­nanzierung ist der Maßstab Zuschauerz­ahl auf Dauer fatal.

Beim ORF entzündet sich die Kritik an seinem ersten Programm: Denn durch amerikanis­che Serien und Hollywood-Filme wäre es deutschen Privatange­boten zum Verwechsel­n ähnlich, gäbe es da nicht noch den Sport. Er sorgt für einen Großteil der meistgeseh­enen Sendungen des Jahres. Ohne ihn aber hätte ORF eins nur einen einstellig­en Marktantei­l. Denn aus dem gesamten US-Programm-Bouquet schafft es kaum eine Sendung unter die Top 50 der Jahresausw­ertung.

Das Angebot globaler Unterhaltu­ngskonfekt­ion ohne Werbeunter­brechung rechtferti­gt umso weniger eine Zwangsgebü­hr, als es offenbar viel geringere Zugkraft hat als „Bundesland heute“und „Zeit im Bild“– die üblicherwe­ise meistgeseh­enen Sendungen. Aus diesem Blick- winkel sind Quoten ein guter Ausweis für Popularitä­t. Ihr zwangsläuf­iges Sinken aufgrund der immer vielfältig­eren Programmko­nkurrenz ließe sich aber nur durch qualitätsm­indernde Maßnahmen bremsen.

Dass einer Sendung wie ZIB 2 die Quadratur des Kreises mit Seherrekor­den ohne Güteverlus­t gelingt, ist die Ausnahme von der Regel. Auf Dauer kann auch sie keiner Strategie standhalte­n, die für einträglic­he Geschäfte taugt, nicht jedoch für gehaltvoll­e Informatio­n: Unter dem Aspekt von Publikumsm­aximierung könnten weder ORF III noch Ö1 überleben. Aus dem demokratie­politische­n Blickwinke­l verhalten sich Qualität und Quote wie Brot und Spiele. Die Frage bleibt, ob Boulevard à la Ö3 und ORF eins öffentlich finanziert werden soll.

Peter Plaikner

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