Für TTIP gibt es noch Hürden
US-Botschafterin Alexa Wesner erklärt, warum Freihandel für die EU ebenso gut ist wie für die USA. Für Angst hat sie Verständnis.
Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP soll Handelshemmnisse zwischen der EU und den USA beseitigen, damit Kosten senken und so für Wachstum und Beschäftigung sorgen. SN: Welchen Stellenwert hat das Freihandelsabkommen TTIP für Sie? Wesner: Einen sehr hohen. Es ist ein wichtiges Abkommen, von dem ich überzeugt bin. Es ist auch eine Priorität für Präsident Obama in seinem letzten Jahr im Amt. Er wird bis zuletzt alles daran setzen, Fortschritte für Amerika und die Welt zu erzielen. Für mich ist sehr positiv, dass TTIP proaktiv ist. Wir reagieren nicht auf etwas, sondern wollen nach der Krise von 2008 neues Wachstum vorantreiben. SN: Wer hat dabei mehr zu gewinnen oder zu verlieren, die USA oder die EU? Verlieren wird niemand, da bin ich sicher. Wir haben beide so viel zu gewinnen, etwa bei den Arbeitsplätzen. Schon unsere bestehenden Beziehungen sorgen für 13 Millionen Jobs, eine Billion (US-Dollar) im Handel und vier Billionen Investitionen. Ein Freihandelsabkommen, das Handelshemmnisse und nichttarifäre Hürden beseitigt und Bürokratie und Doppelgleisigkeiten bei Regulierungen beseitigt, ist gut für beide. Am meisten zu gewinnen haben kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Die großen Konzerne haben ihre Anwälte und kennen sich im internationalen Handel aus, aber KMU haben da die meisten Probleme. Wir haben 28 Millionen KMU in den USA und 20 Millionen in der EU. Besonders stark profitieren Firmen in exportorientierten Ländern wie Österreich. In den USA sind 90 Prozent der exportierenden Unternehmen KMU, aber nur ein Prozent der KMU exportieren überhaupt. Hier gibt es noch ein enormes Potenzial für beide Seiten. SN: Kritiker sagen, beim nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA waren die Prognosen für neue Jobs zu optimistisch. NAFTA ist eine positive Geschichte. Es hat in den ersten sieben Jahren fast 17 Millionen Jobs geschaffen, die Arbeitslosigkeit ist von 6,9 auf 4,0 Prozent gefallen. Die USA waren immer für Freihandel. Wir würden nicht Abkommen wie TTIP oder TPP (Transpazifische Partnerschaft, Anm.) anstreben, wenn wir nicht gute Erfahrungen mit NAFTA gemacht hätten. SN: EU-Verhandler warten vor der nächsten TTIP-Runde noch auf die Reaktion der USA auf ihre Vorschläge. Wo liegen da die Stolpersteine? Es ist das größte Freihandelsabkommen der Welt, solche Verhandlungen sind nie einfach. Man arbeitet jetzt ernsthaft zweieinhalb Jahre daran. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und US-Handelsbeauftragter Michael Froman haben angekündigt, das Tempo zu erhöhen. Es gibt den politischen Willen, wir sind auch schon weit gekommen. Aber es geht nicht um die Zeit, sondern um den Inhalt. Hürden gibt es noch genug. Wir sind gut unterwegs, über 13 Kapitel ist man sich grundsätzlich einig, das ist etwa die Hälfte. Frau Malmström hat einen Vorschlag für einen refor- mierten Investorenschutz (ISDS, Investor-Staat-Streitbeilegung, Anm.) gemacht, der jetzt geprüft wird. SN: Inwiefern geht es auch um nicht wirtschaftliche Themen, sondern um ein allgemeines Zusammenrücken des Westens? Hauptsächlich geht es um Wirtschaft. Aber die Welt ist sicherer, wenn demokratische Länder zusammenarbeiten und einen gemeinsamen Markt schaffen. Wir setzen höhere Standards für die Umwelt und Sicherheit der Verbraucher. Wir haben den größten Markt, wir machen die Spielregeln, die auch für andere Länder gelten. Wir müssen nicht die Standards von anderen übernehmen. SN: Was passiert, wenn es keine Einigung mehr in Obamas Amtszeit gibt? Im Vordergrund steht der Inhalt. Wir wollen nicht irgendein Abkommen, es muss ein umfassendes Gesamtpaket sein, das großartig ist, das wollen beide Seiten. Die USA haben viel Erfahrung mit Freihandel, das ist einer unserer Werte. Ich weiß nicht, wer nächster Präsident wird. Aber ich nehme an, er (oder sie) würde TTIP weiterführen. SN: Sie wollen ein großes Abkommen. Könnte nicht ein schrittweises Vorgehen sinnvoller sein? Es ist wichtig, ein ehrgeiziges umfassendes Abkommen zu haben. Das sehen auch die Verhandler auf beiden Seiten so. SN: Wie erklären Sie die große TTIP-Skepsis in Österreich? Es ist das größte Freihandelsabkommen überhaupt. Da ist es ganz natürlich, dass die Leute Sorgen haben. Es ist wichtig, dass sich die Bürger auf beiden Seiten des Atlantiks informieren, was wirklich Sache ist und sich nicht auf Mythen und Angstmache einlassen. Ich fahre in die Bundesländer und höre mir die Sorgen von Konsumenten, Arbeitern und Bauern an. Auch die US-Bürger haben Bedenken. Kein Wunder, es geht um viel. Aber wir bemühen uns um Transparenz. In den USA gab es 1500 Konsultationen mit dem Kongress, wir haben auch das Mandat im Internet veröffentlicht. Die Leute können sich informieren. Wichtig ist, auf das große Bild zu schauen und nicht nur auf einzelne Kritikpunkte. SN: Wovor fürchtet sich die US-Bevölkerung bei TTIP? Größte Sorge sind die Arbeitsplätze. Seit 2008 haben wir 13 Millionen Jobs im Privatsektor geschaffen, die Arbeitslosigkeit liegt bei fünf Prozent. TTIP wird Wachstum bringen. KMU schaffen die Jobs der Zukunft, mit mehr Handel sind sie sicherer, die Firmen machen mehr Gewinn. SN: Käse aus Rohmilch etwa ist vielen US-Bürgern verdächtig. Dazu gibt es verschiedene Meinungen. Ähnliche Diskussionen haben wir über US-Produkte. Es geht um Marktzugang, Information und Wahlmöglichkeiten für die Kunden. Ich kann Ihnen versichern, unsere Standards werden steigen, auf den größten gemeinsamen Nenner. Die USA und die EU haben hohe Standards. Wir in den USA sind gewöhnt an Freihandel, wir sehen die Vorteile des freien Marktzugangs für unsere Produkte. Und die USA haben der europäischen Seite 320 Millionen Konsumenten zu bieten. Wir haben großen Appetit auf europäische Produkte, wir mögen Qualität. Wir freuen uns auf mehr Auswahl und Vielfalt. SN: Wie wichtig ist den USA die umstrittene Streitbeilegungsklausel ISDS, die private Schiedgerichte vorsieht? ISDS ist uns sehr wichtig, auch den Europäern. Den Vorschlag einer Modernisierung finde ich gut. Aber ich glaube, wir sind uns einig, dass Freihandel eine Investor-StaatStreitbeilegungsklausel braucht. Österreich hat schon jetzt 64 bilaterale Handelsabkommen mit ISDS, es gibt 1400 in ganz Europa und 3000 weltweit. Nur bei zehn Prozent gab es eine Klage. Das Beispiel Philip Morris und Australien zeigt, dass ISDS eine Regierung nicht hindert, im Sinn ihrer Bevölkerung zu entscheiden. Wer sich informiert, braucht nicht so viel Angst haben.