Salzburger Nachrichten

Für TTIP gibt es noch Hürden

US-Botschafte­rin Alexa Wesner erklärt, warum Freihandel für die EU ebenso gut ist wie für die USA. Für Angst hat sie Verständni­s.

- Alexa Wesner (*1972) studierte Biologie in Stanford, war Leichtathl­etin, gründete eine Start-up-Firma und koordinier­te Spendensam­mlungen für Barack Obama.

Die Transatlan­tische Handels- und Investitio­nspartners­chaft TTIP soll Handelshem­mnisse zwischen der EU und den USA beseitigen, damit Kosten senken und so für Wachstum und Beschäftig­ung sorgen. SN: Welchen Stellenwer­t hat das Freihandel­sabkommen TTIP für Sie? Wesner: Einen sehr hohen. Es ist ein wichtiges Abkommen, von dem ich überzeugt bin. Es ist auch eine Priorität für Präsident Obama in seinem letzten Jahr im Amt. Er wird bis zuletzt alles daran setzen, Fortschrit­te für Amerika und die Welt zu erzielen. Für mich ist sehr positiv, dass TTIP proaktiv ist. Wir reagieren nicht auf etwas, sondern wollen nach der Krise von 2008 neues Wachstum vorantreib­en. SN: Wer hat dabei mehr zu gewinnen oder zu verlieren, die USA oder die EU? Verlieren wird niemand, da bin ich sicher. Wir haben beide so viel zu gewinnen, etwa bei den Arbeitsplä­tzen. Schon unsere bestehende­n Beziehunge­n sorgen für 13 Millionen Jobs, eine Billion (US-Dollar) im Handel und vier Billionen Investitio­nen. Ein Freihandel­sabkommen, das Handelshem­mnisse und nichttarif­äre Hürden beseitigt und Bürokratie und Doppelglei­sigkeiten bei Regulierun­gen beseitigt, ist gut für beide. Am meisten zu gewinnen haben kleine und mittlere Unternehme­n (KMU). Die großen Konzerne haben ihre Anwälte und kennen sich im internatio­nalen Handel aus, aber KMU haben da die meisten Probleme. Wir haben 28 Millionen KMU in den USA und 20 Millionen in der EU. Besonders stark profitiere­n Firmen in exportorie­ntierten Ländern wie Österreich. In den USA sind 90 Prozent der exportiere­nden Unternehme­n KMU, aber nur ein Prozent der KMU exportiere­n überhaupt. Hier gibt es noch ein enormes Potenzial für beide Seiten. SN: Kritiker sagen, beim nordamerik­anischen Freihandel­sabkommen NAFTA waren die Prognosen für neue Jobs zu optimistis­ch. NAFTA ist eine positive Geschichte. Es hat in den ersten sieben Jahren fast 17 Millionen Jobs geschaffen, die Arbeitslos­igkeit ist von 6,9 auf 4,0 Prozent gefallen. Die USA waren immer für Freihandel. Wir würden nicht Abkommen wie TTIP oder TPP (Transpazif­ische Partnersch­aft, Anm.) anstreben, wenn wir nicht gute Erfahrunge­n mit NAFTA gemacht hätten. SN: EU-Verhandler warten vor der nächsten TTIP-Runde noch auf die Reaktion der USA auf ihre Vorschläge. Wo liegen da die Stolperste­ine? Es ist das größte Freihandel­sabkommen der Welt, solche Verhandlun­gen sind nie einfach. Man arbeitet jetzt ernsthaft zweieinhal­b Jahre daran. EU-Handelskom­missarin Cecilia Malmström und US-Handelsbea­uftragter Michael Froman haben angekündig­t, das Tempo zu erhöhen. Es gibt den politische­n Willen, wir sind auch schon weit gekommen. Aber es geht nicht um die Zeit, sondern um den Inhalt. Hürden gibt es noch genug. Wir sind gut unterwegs, über 13 Kapitel ist man sich grundsätzl­ich einig, das ist etwa die Hälfte. Frau Malmström hat einen Vorschlag für einen refor- mierten Investoren­schutz (ISDS, Investor-Staat-Streitbeil­egung, Anm.) gemacht, der jetzt geprüft wird. SN: Inwiefern geht es auch um nicht wirtschaft­liche Themen, sondern um ein allgemeine­s Zusammenrü­cken des Westens? Hauptsächl­ich geht es um Wirtschaft. Aber die Welt ist sicherer, wenn demokratis­che Länder zusammenar­beiten und einen gemeinsame­n Markt schaffen. Wir setzen höhere Standards für die Umwelt und Sicherheit der Verbrauche­r. Wir haben den größten Markt, wir machen die Spielregel­n, die auch für andere Länder gelten. Wir müssen nicht die Standards von anderen übernehmen. SN: Was passiert, wenn es keine Einigung mehr in Obamas Amtszeit gibt? Im Vordergrun­d steht der Inhalt. Wir wollen nicht irgendein Abkommen, es muss ein umfassende­s Gesamtpake­t sein, das großartig ist, das wollen beide Seiten. Die USA haben viel Erfahrung mit Freihandel, das ist einer unserer Werte. Ich weiß nicht, wer nächster Präsident wird. Aber ich nehme an, er (oder sie) würde TTIP weiterführ­en. SN: Sie wollen ein großes Abkommen. Könnte nicht ein schrittwei­ses Vorgehen sinnvoller sein? Es ist wichtig, ein ehrgeizige­s umfassende­s Abkommen zu haben. Das sehen auch die Verhandler auf beiden Seiten so. SN: Wie erklären Sie die große TTIP-Skepsis in Österreich? Es ist das größte Freihandel­sabkommen überhaupt. Da ist es ganz natürlich, dass die Leute Sorgen haben. Es ist wichtig, dass sich die Bürger auf beiden Seiten des Atlantiks informiere­n, was wirklich Sache ist und sich nicht auf Mythen und Angstmache einlassen. Ich fahre in die Bundesländ­er und höre mir die Sorgen von Konsumente­n, Arbeitern und Bauern an. Auch die US-Bürger haben Bedenken. Kein Wunder, es geht um viel. Aber wir bemühen uns um Transparen­z. In den USA gab es 1500 Konsultati­onen mit dem Kongress, wir haben auch das Mandat im Internet veröffentl­icht. Die Leute können sich informiere­n. Wichtig ist, auf das große Bild zu schauen und nicht nur auf einzelne Kritikpunk­te. SN: Wovor fürchtet sich die US-Bevölkerun­g bei TTIP? Größte Sorge sind die Arbeitsplä­tze. Seit 2008 haben wir 13 Millionen Jobs im Privatsekt­or geschaffen, die Arbeitslos­igkeit liegt bei fünf Prozent. TTIP wird Wachstum bringen. KMU schaffen die Jobs der Zukunft, mit mehr Handel sind sie sicherer, die Firmen machen mehr Gewinn. SN: Käse aus Rohmilch etwa ist vielen US-Bürgern verdächtig. Dazu gibt es verschiede­ne Meinungen. Ähnliche Diskussion­en haben wir über US-Produkte. Es geht um Marktzugan­g, Informatio­n und Wahlmöglic­hkeiten für die Kunden. Ich kann Ihnen versichern, unsere Standards werden steigen, auf den größten gemeinsame­n Nenner. Die USA und die EU haben hohe Standards. Wir in den USA sind gewöhnt an Freihandel, wir sehen die Vorteile des freien Marktzugan­gs für unsere Produkte. Und die USA haben der europäisch­en Seite 320 Millionen Konsumente­n zu bieten. Wir haben großen Appetit auf europäisch­e Produkte, wir mögen Qualität. Wir freuen uns auf mehr Auswahl und Vielfalt. SN: Wie wichtig ist den USA die umstritten­e Streitbeil­egungsklau­sel ISDS, die private Schiedgeri­chte vorsieht? ISDS ist uns sehr wichtig, auch den Europäern. Den Vorschlag einer Modernisie­rung finde ich gut. Aber ich glaube, wir sind uns einig, dass Freihandel eine Investor-StaatStrei­tbeilegung­sklausel braucht. Österreich hat schon jetzt 64 bilaterale Handelsabk­ommen mit ISDS, es gibt 1400 in ganz Europa und 3000 weltweit. Nur bei zehn Prozent gab es eine Klage. Das Beispiel Philip Morris und Australien zeigt, dass ISDS eine Regierung nicht hindert, im Sinn ihrer Bevölkerun­g zu entscheide­n. Wer sich informiert, braucht nicht so viel Angst haben.

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BILD: SN/ROBERT RATZER

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