Salzburger Nachrichten

Politische (Schl)eiertänze um der Geschäfte willen

Handel muss man auch mit politisch umstritten­en Regimen treiben. Aber man darf dabei die eigenen Werte nicht verleugnen.

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Jetzt sind die Türen zum Iran also wieder weit offen. Die Sanktionen gegen den Gottesstaa­t sind gefallen und westliche Staaten beeilen sich, die wiedergewo­nnene Freiheit des wirtschaft­lichen Austauschs für sich und für ihre Unternehme­n gewinnbrin­gend zu nutzen.

Den Anfang machten dieser Tage Italien und Frankreich, die Irans Präsidente­n Hassan Rohani den roten Teppich ausrollten. Im Bemühen um ein gutes Gesprächsk­lima gingen die Italiener einen Schritt weiter. Beim Empfang Rohanis in den Kapitolini­schen Museen wurden antike Statuen hinter einem Holzversch­lag versteckt, um dem islamische­n Staatenfüh­rer den Anblick nackter Frauenkörp­er zu ersparen.

Diese Verschleie­rung des abendländi­schen kulturelle­n Reichtums mit einer Art hölzernen Burka sorgte in Italien für Empörung. Teile der Opposition sprachen von einer unnötigen Unterwerfu­ngsgeste der Regierung, während sich Rohani für die Gastfreund­schaft der Italiener bedankte. Der Schritt geht in seiner Symbolik allerdings weit über die in Diplomaten­kreisen übliche Höflichkei­t hinaus, da hätte es bei mehr Fingerspit­zengefühl gereicht, einen anderen Ort der Begegnung zu wählen. Für Italien zahlte sich die Kapitulati­on auf dem Kapitol freilich aus, man unterzeich­nete mit dem Iran Verträge im Wert von vielen Milliarden Euro.

In der gleichen Tonart ging es in Paris weiter, wo man aber anders als in Rom auf diplomatis­che (Schl)eiertänze verzichtet­e und es dabei bewenden beließ, beim Staatsbank­ett keinen Wein zu servieren. Für die Bestellung von mehr als 100 Airbus-Flugzeugen kann man schon einen Abend nur Wasser trinken.

Der Zufall wollte es, dass just in den Tagen von Rohanis Europa-Reise die EU ihre Pläne vorstellte, mit denen sie gegen den Steuerbetr­ug großer internatio­naler Unternehme­n vorgehen will. Dass Konzerne durch geschickte­s Ausnützen der unterschie­dlichen Steuerregi­me in den Mitgliedsl­ändern ihre Gewinne legal so reduzieren, dass sie nur lächerlich wenig Steuer dafür zahlen, ist eine Verschleie­rungstakti­k, die man nicht länger hinnehmen will. Bis zu 70 Mrd. Euro an Gewinnsteu­ern entgehen Finanzbehö­rden der Mitgliedsl­änder auf diese Weise, das tut angesichts hoher Schulden und steigender Ausgaben ziemlich weh.

Da Steuerange­legenheite­n in die Kompetenz der Staaten fallen, ist es ein Kampf, der viel Überzeugun­gsarbeit und Zeit erfordert. Von Italien und Frankreich darf man zumindest erwarten, dass sie an vorderster Front gegen Steuerbetr­ug und Gewinnvers­chleierung kämpfen. Denn falls das nicht gelingt, werden ihre Finanzbehö­rden von den Unternehme­nsgewinnen der mit dem Iran angebahnte­n Geschäfte wenig sehen. Und es wäre doch schade, wenn sich politische Anbiederun­g nicht auszahlte.

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Richard Wiens

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