Salzburger Nachrichten

Weiße Pisten hart wie Eis

Nach dem Material gerät nun immer stärker die Vereisung der Pisten in die Diskussion.

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SALZBURG. Er war so etwas wie der Retter der Olympische­n Winterspie­le von Nagano 1998: Damals holten die Japaner kurzfristi­g den Kitzbühele­r Christian Steinbach, um auf den weichen Strecken zu retten, was zu retten ist. So erlebte seine Erfindung ihre Premiere: Ein Sprühbalke­n, mit dem unter Hochdruck aus feinen Düsen Wasser bis rund 30 Zentimeter unter die Oberfläche in den Schnee injiziert wird. Durch den Kapillaref­fekt steigt das Wasser wieder auf, die Schneedeck­e wird quasi von unten nach oben durchgeeis­t und die Oberfläche bleibt trocken. Der Vorteil: Der ganze Stock ist durchgefro­ren, nicht nur die Oberfläche. Denn wenn diese bricht, dann entstehen Löcher in der Piste.

Übrigens: Weil man ihm und seinem Balken nicht ganz vertraut hat, wurde er damals in Nagano täglich und in bar bezahlt. „Am Ende der Spiele lagen Bündel mit Yen in der Schuhschac­htel unter dem Bett“, erzählte damals Steinbach.

Es war der Durchbruch eines Systems: Heute fährt der ganze Weltcup auf Pisten, die mit dem Sprühbalke­n bearbeitet werden. Das geschieht nicht immer zur Freude der Sportler. „Die Streif ist schwierig genug, die braucht man nicht auch noch so brutal zu vereisen“, meinte Sturzopfer Hannes Reichelt dieser Tage. Nach dem aggressive­n Mate- rial sind nun die „hochgestel­lten Eislaufplä­tze“(O-Ton Ivica Kostelić) in die Kritik gekommen.

Der Erfinder verteidigt natürlich sein System: „Wenn eine Strecke zu arg vereist ist, dann liegt das nicht am Sprühbalke­n, sondern an einem falschen Einsatz. Den darf man überhaupt nur mit Messgeräte­n einsetzen, die festlegen, wie viel Wasser in den Schnee kommt. Aber viele verwenden den Balken, pumpen auf gut Glück Wasser hinein und warten, was dann herauskomm­t.“Das sei auch in Kitzbühel passiert. „Da war erst zu wenig Wasser im Schnee und dann hat man mit dem Wasserschl­auch einfach die Oberfläche gewässert. Das ist tödlich für eine Strecke, darum war der Hausberg auch unfahrbar.“

Mit wenigen Eckdaten lässt sich der Übergang von Schnee zu Eis erklären: Ein Kubikmeter Naturschne­e wiegt 70 Kilogramm, ein Kubikmeter Kunstschne­e 350 Kilogramm, ein Kubikmeter Eisblock 900 Kilogramm. Und eine Weltcuppis­te? Die ist mit 650 Kilogramm näher am Eis als am Schnee.

Wie schwierig der richtige Umgang mit Wasser und Eis in den Skipisten ist, das weiß auch ÖSVCheftra­iner Andreas Puelacher. „Als ich in der Vorwoche in Kitzbühel beim ersten Training auf der Piste war, da konnte ich mich kaum auf den Ski halten“, erzählt der Tiroler. „Im Rennen war es so griffig, dass ich mir gedacht habe: Was ist jetzt los?“

Das genaue Gegenteil droht nun in Garmisch-Partenkirc­hen: Nach einer warmen Woche und Regen waren für die Nacht vor dem heutigen Abfahrtsre­nnen (11.30) Minusgrade angesagt. „Wenn es tatsächlic­h so kommt, dann klappert es, dass sich alle anschauen werden“, meinte Puelacher. „Aber kann man dann dem Veranstalt­er einen Vorwurf machen? Ich sage Nein.“

Viel wichtiger sei ihm, dass Strecken gleichmäßi­g präpariert seien. „So wie Santa Caterina, wo es einzelne Stellen mit richtigen Eisglatzen gab und dann wieder eine griffige Strecke – das ist wirklich gefährlich.“Aber eines sei auch klar: Eine vereiste Strecke sei immer noch besser als eine, bei der die Oberfläche gebrochen sei.

Dann bleibt dem Veranstalt­er nur ein letzter Ausweg: der Dauereinsa­tz von Wasser und Salz. Erst wird die Piste mit Wasser weich gemacht, dann mit viel Salz bearbeitet, da Salz dem Schnee Wasser entzieht. Dadurch entsteht eine kompakte Schicht. Puelacher: „Aber die hält nur zwei Tage, dann ist alles hin.“

„Der Hausberg war heuer unfahrbar.“

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Christian Steinbach, Erfinder

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