Die Evolution der Uni Salzburg
Wenn er auf die Irrwege der Evolution zu sprechen kam, hatte Konrad Lorenz stets zwei Beispiele parat: das Arbeitstempo der westlichen Zivilisation und die Federn des Goldfasans.
Die Goldfasanin ist ganz verschossen in die schönen, langen Schwanzfedern des Goldfasans und schenkt ihr Herz am liebsten dem Herrn mit den längsten. Denn der mit den längsten, das muss zweifellos der Tüchtigste sein, denkt sie sich. Die Herren Goldfasane ließen sich daher immer längere Federn wachsen, um der Goldfasanin zu gefallen.
Was im Laufe der Evolution dazu führte, dass die Goldfasane federnmäßig heute derartige Übervögel sind, dass sie kaum noch fliegen und vor ihren Fressfeinden flüchten können. Ein Irrweg.
Ganz ähnlich muss man sich die Evolution der Universität Salzburg vorstellen. Sie hat ihr Herz dem Zeitgeist geschenkt, der ganz verschossen in die Vergangenheitsbewältigung ist und es für einen mutigen Akt des Widerstands hält, 75 Jahre danach an Straßentafeln herumzuschrauben und an Ehrendoktoraten herumzudoktern. Erinnert das nicht an den Goldfasan? Rührend, aber ein bissel lächerlich.
Auch Konrad Lorenz würde vermutlich lachen. Es sei ein guter Morgensport, jeden Tag beim Frühstück eine Lieblingsthese über Bord zu werfen, sagte er. Das halte jung. Ebenso locker dürfte sein Umgang mit Ehrungen gewesen sein. Das Wichtigste am Nobelpreis soll ihm das hohe Preisgeld gewesen sein, mit dem er sich im heimatlichen Altenberg ein riesiges Aquarium für Tierbeobachtungen bauen konnte.
Apropos Altenberg. Der Ort an der Donau ist in die Literaturgeschichte eingegangen, weil dort die Jugendliebe eines gewissen Richard Engländer wohnte. In Verehrung für sie wählte Englän- der sein Pseudonym nach dem Spitznamen des Mädchens – „Peter“– und nach ihrem Wohnort. Der Kaffeehausliterat Peter Altenberg war geboren.
Auch Konrad Lorenz führte seinen Heimatort in die Literatur ein, und zwar mit seinen Tiergeschichten. Mit unnachahmlichen Humor schilderte er etwa, wie er zum namenlosen Entsetzen der Passanten eines schönen Junitags in einem schwarzen Krampuskostüm auf dem Dach seiner Altenberger Villa herumkletterte, um sich den dort sitzenden Dohlen nähern zu können.
Die lehrreichste Geschichte ist aber die vom Hundeduell in Altenberg. Lorenz erzählt, dass er beim Spazierengehen mit seinem Hund immer an einem Haus vorbeikam, vor dem ein weißer Spitz wachte. Der Garten war durch einen Lattenzaun von der Straße getrennt und die beiden verfeindeten Hunde pflegten täglich an diesem Zaun entlangzurennen und einander wütende Bellduelle zu liefern. Und zwar so wütende, dass kein Zweifel daran bestehen konnte: Wäre der Zaun nicht da, sie würden einander zerfleischen. Nun geschah aber eines Tages etwas für beide Hunde Peinliches und Überraschendes. Der Zaun wurde repariert und zu diesem Zweck teilweise entfernt.
Die Kontrahenten begannen also ihre feindliche Bellgaloppade dies- und jenseits des Zauns, mussten aber plötzlich bemerken, dass dieser nicht mehr da war. Da standen nun die beiden Helden mit gesträubtem Fell und gefletschten Zähnen, schreibt Lorenz. Schlagartig verstummte ihr Bellen. Und was taten sie? Fielen sie übereinander her?
Keineswegs. Wie ein Hund machten sie kehrt, rasten an die Stelle zurück, wo der Zaun noch stand, und begannen einander durch die Latten wieder wütend anzukläffen. – Ähnlichkeiten mit dem Innenleben einer Großen Koalition sind gewiss rein zufällig . . .
Apropos Koalition. „Sie werden es nicht glauben“, sagte Lorenz einmal, „aber es gibt soziale Staaten, die tatsächlich von den Klügsten regiert werden. Das ist bei den Pavianen der Fall.“