Wir sind alle Schneier
ICHschneie. Dieser sparsame Hauptsatz irritiert ein bisserl. Schließlich war es seit eh und je ausschließlich „es“, das schneite. Das verlieh dem Vorgang des Herunterfallens von Weißgefrorenem vom Himmel etwas Mystisches, weil damit gewissermaßen das Schneien einer höheren Macht (Gott? Frau Holle? Santa Claus?) zugeschrieben wurde.
Heutzutage aber kann im Prinzip jeder schneien, was mir jüngst durch die Aussage eines Wintertourismusverantwortlichen ins Bewusstsein rückte: „Wir schneien seit drei Tagen“, verkündete der Mann mit bewegter Stimme, und ich stellte mir bildlich vor, dass ihm und seinesgleichen die weißen Flocken aus den Ohren oder den Nasen rieseln. Nein, natürlich schneiten sie nicht wirklich selbst, sondern sie ließen „es“schneien oder vielmehr „sie“, die Schneekanonen.
So ist mit etwas Nachhelfen die göttliche Ordnung wiederhergestellt. Der Achterjet surrt von früh bis spät, und der Gast carvt auf dem Kanonenschnee, dass es eine Freude ist.
Bevor wir, respektive sie, im heurigen Winter schneiten, waren viele Pisten grünbrauntraurige Landschaften. Ein eindrucksvolles Video machte in den sozialen Medien die Runde: Da rutschten Skifahrer einen nur stellenweise mit Schnee bedeckten Hang hinunter und waren ob der Gleiteigenschaften ihrer Latten auf Gras sichtlich unerfreut. Es kam wie eine Fügung des Schicksals ein Helikopter mit einem Sack voll Schnee geflogen und lud seine Ladung über ihren Köpfen ab. Man weiß nicht, was die beschneiten Menschen dazu sagten, aber vermutlich zeigten sie auf den Helikopter und riefen erstaunt: „Er schneit!“
Das Schneien ist für den Österreicher so wichtig wie das Skifahren, auch wenn für immer mehr Bürger der einzig wahren Skination die einzige Brettl-Erfahrung vom Bewältigen der Kitzbüheler Streif im Computerspiel „Ski Challenge“herrührt. Andere Länder haben andere und doch so ähnliche Sorgen. In Katar ist es im Sommer so unerträglich heiß, dass die Fußballweltmeisterschaft des Jahres 2022 in den Winter verlegt werden musste. Zuvor gab es Pläne, zwecks Abkühlung künstliche Wolken über die Stadien zu lenken. Ein sparsamer Hauptsatz wäre dann bestimmt zum geflügelten Wort geworden: Ich regne.