Zu Tode saniert
BERNHARD SCHREGLMANN Altbausanierung steht derzeit hoch im Kurs, vor allem vor dem Hintergrund energetischer Maßnahmen. Doch in vielen Fällen führen die Maßnahmen nicht zu einer Verbesserung, sondern – im Gegenteil – zu einer Verschlechterung. Denn viele ganz wichtige Faktoren bleiben meist unberücksichtigt und das konzeptlose Bekleben von Fassaden mit Styroporplatten – meist auch noch falsch ausgeführt – führt innerhalb von kürzester Zeit zu einem sogenannten Bauschaden. „Das ist meist eine Verschlimmbesserung“, meint Richard Leopold. Er ist gerichtlich beeideter Sachverständiger für das Spezialgebiet Altbausanierung und könnte stundenlang Geschichten über misslungene Sanierungen erzählen. Ihn stört vor allem, dass meist ohne konkretes Konzept und vor allem ohne Berücksichtigung des vorhandenen „Systems Altbau“mit irgendwelchen Maßnahmen begonnen wird.
„Das Bauen ist heute mit einem Formel-1Auto vergleichbar“, sagt Leopold: „Das gesamte System ist sehr komplex.“Das zeige sich etwa in der jetzt üblichen luft- und winddichten Bauweise. Das mag für Neubauten passen, im Altbau wird die Sache problematisch. „Bei bestehenden Gebäuden erfolgten drei Viertel des Wasserdampfdruckausgleichs über Fugen, undichte Fenster und Ähnliches“, sagt Leopold: „Man darf ja nicht vergessen, dass ein Mensch allein durch die Atmung pro Tag 1,5 bis zwei Liter Wasser abgibt.“Da ist vom Duschen und Kochen oder von aufgehängter Wäsche noch gar keine Rede. Werden Altbauten luft- und winddicht gemacht, herrscht für den Experten Schimmelalarm: „Das kann nur funktionieren, wenn man den Bewohnern genau erklärt, wie sie leben und lüften müssen. Grundsätzlich kann das nur mit einer kontinuierlichen Wohnraumbelüftung wie bei einem Passivhaus funktionieren.“Leichter gesagt als getan, etwa bei einem Gründerzeithaus oder einer größeren Wohnanlage aus den 1970er- oder 1980erJahren. Leopold: „Ein Altbau funktioniert eigentlich nur, weil er eben nicht luft- und winddicht ist. Bei einer solchen Sanierung fängt man an, ein an sich funktionierendes System unkontrolliert zuzukleben.“
Das Problem sei: Jeder hat schon davon gehört, dass es gut ist, wenn man etwas auf die Fassade klebt. „Aber keiner macht sich Gedanken darüber, was diese Maßnahme mit dem Haus macht.“Bei vielen Firmen hätten die Mitarbeiter gar nicht das technische Fachwissen dafür. „Wir brauchen aber eine ganzheitliche Sicht auf das vorhandene System, vor allem beim Altbau.“Dazu gehören Mauerwerk, Fassade, Fenster, oberste Geschoßdecke, Kellerdecke, Heizung, Lüftung etc. Wenn der Wasserdampf nicht entweichen kann, dann kondensiert er, etwa in Fugen, Schächten, entlang kalter Balkone, an Fenstern, kühlen Mauerteilen, Metallen etc. Leopold: „Ein potenzieller Bauherr sollte sich zuerst die Frage stellen: Bin ich bereit, mein Leben so zu verändern, dass das System funktionieren kann?“Gerade Altbauten haben grundsätzlich eine höhere Eigenfeuchte. Sie dringt etwa aus dem Erdreich über Keller in Form von Kapillareffekten über Jahrzehnte nach oben. „Wenn dann die Fassade zu ist und es keine Horizontal- und Vertikalabdichtungen gibt, kippt das System“, warnt der Experte. Wichtig ist in so einem Fall, die relative Luftfeuchtigkeit zu messen und für deren Ab- transport zu sorgen. Das ist mit bloßem Lüften aber nicht getan, denn das hat nur einen kurzzeitigen Effekt, wenn etwa kalte Luft eindringt, sich erwärmt und dabei Wasser aufnimmt. „Es gibt ja auch noch Ausgleichsfeuchtigkeit in Textilien, Möbeln etc. In vielen Fällen hilft dann eigentlich nur überhitzen und gleichzeitig dauerlüften.“Damit sind aber alle energetischen Spargedanken ad absurdum geführt.
Ein erster Schritt müsse daher auch immer eine Mauerwerksanalyse sein, verbunden mit einer Taupunktberechnung, die zeigt, wann Feuchtigkeit zum Problem wird. „Mit Styropor ,tötet‘ man einen Baustoff wie Ziegel“, erklärt Leopold. Es kommt also auf eine genaue Analyse und damit verbunden auf die richtige Materialwahl an.
Neben dem oft fehlenden Konzept für die Sanierung öffnet sich als weiteres Problemfeld die Bauausführung. Um einen entsprechenden Dämmeffekt zu erzielen, müssen die beliebten Styroporplatten vollflächig verklebt werden. Ist die Altbaufassade dafür zu uneben, erfolgt eine Randwulstpunktverklebung bei jeder Platte. Die auf Baustellen oft gesehene Variante, die Platten einfach mit ein paar Mörtelpatzen an die Wand zu picken, ist also grob fahrlässig. Es entstehen fingerdicke Spalten zwischen Mauer und Dämmung, der Effekt ist weg, Feuchtigkeit kann einziehen, der Bauschaden ist programmiert, auch wenn zuerst die frisch gemalte Fassade schön wirkt. „Schon eine kleine Lücke in der Dampfbremse reicht, dass Feuchtigkeit austropft und die Dämmung ,absaufen‘ lässt“, weist Leopold auf die Wichtigkeit der Bauphysik hin. Er führt das auf mangelhaftes Wissen zurück: „Man braucht spezielle Schulungen und viel Wissen, um ein solches Sanierungsverfahren ohne Mängel durchzuführen.“
Planungsfehler, falsche
Ausführungen und zu wenig Wissen bei allen Beteiligten machen immer mehr Altbausanierungen
zu neuerlichen Sanierungsfällen.