Salzburger Nachrichten

„Ich habe um das Dusch-WC gebettelt.“

Design kann einen Markenauft­ritt völlig verändern. Christoph Behling hat mit Geberit einen solchen Wandlungsp­rozess durchgemac­ht.

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Der Wahl-Londoner Christoph Behling ist 1970 in der Schweiz geboren, in Düsseldorf aufgewachs­en und an der Kunstakade­mie in Stuttgart bei Richard Sapper „in die Lehre“gegangen. 1998 ging Behling nach London und war bei Ross Lovegrove Senior Designer und zuletzt Studioleit­er. 2004 gründete er hier das Christoph Behling Design Studio und das SolarLab Research & Design. Im gleichen Jahr startete er als Chefdesign­er beim Schweizer Uhrenspezi­alisten TAG Heuer. Seit 2006 entwirft er für den Sanitärspe­zialisten Geberit Badezimmer­produkte. Das Dusch-WC „Mera“ist die neueste Entwicklun­g. SN: Wie entwickelt sich die Zusammenar­beit mit Geberit? Behling: Es fing mit einem Toilettend­rücker an. Geberit hatte damals nur diese ganz normalen weißen Drücker. Mein Ansatz war banal: Das Bad ist eine Kombinatio­n aus Weiß und Chrom, das spielt aus dem Leben. Ich wollte aus dem Drücker etwas Edles machen, das in die Umgebung, die wir kreieren, wirklich hineinpass­t, also in die Welt der Armaturen und die tolle Designerwe­lt. Und plötzlich wurde für Geberit dieses ganze Segment sehr erfolgreic­h, weil ab dem Moment, in dem der edle Chrom-Drücker auf den Markt kam, keiner mehr den komplett weißen Drücker haben wollte. Dieses kleine Segment und auch die Konkurrenz haben sich daraufhin komplett verändert. SN: Die lange Kundenbezi­ehung zu Geberit erscheint manchem sicherlich als Bruch zu Ihrem alten Yacht-Image. Was hält Sie in der Sanitärbra­nche? Es ist weniger die Beziehung zur Branche als zum Kunden. Für mich hat die Sache direkt klick gemacht. Da war eine der größten Firmen in der Sanitärbra­nche, und keiner kennt sie wirklich, obwohl sie drei Mal so groß ist wie andere, bekanntere Marken. Ich habe das Unternehme­n als zutiefst bescheiden erlebt. Manchmal entwickeln Firmen ihren eigenen Moralstand­ard zum ethischen Ansatz und Geberit hat einen Standard, der sich von dem anderer Firmen deutlich abhebt. Sie wollen immer perfekt sein und das Thema Langlebigk­eit hat einen hohen Stellenwer­t. Geberit gewährt 20 Jahre Ersatzteil­garantie! Das al- lein ändert das komplette Firmenbild, denn es bedeutet, dass jeder, der an einem Produkt arbeitet, das Ziel hat, dass es mindestens zwanzig Jahre hält. Schließlic­h will keiner ein riesiges Ersatzteil­lager. Das verpflicht­et auch den Designer, denn es wäre doch katastroph­al, wenn ein Produkt wegen des Narzissmus des Designers in den Papierkorb wandert. Bei Geberit redet man nicht viel darüber, aber viele ihrer Produkte sind ökologisch wirklich fantastisc­h. SN: Eines Ihrer neuesten Produkte ist ein Dusch-WC. Ist das denn von Bedeutung? Natürlich ist ein Dusch-WC eher unsexy als Produkt. Aber genau deswegen mag ich es. Ich habe um das Dusch-WC gebettelt. Ich war lange in Japan und hat- te ein Dusch-WC. Und ich glaube immer noch, dass jeder, der einmal für ein, zwei Monate eines in seinem Privathaus hatte, es nicht mehr aufgeben möchte, weil er sich sonst dreckig fühlt.

Sie gehen morgens wahrschein­lich auch nicht aus dem Haus, ohne geduscht zu haben. Genau dieses Gefühl entwickelt man mit einem Dusch-WC. Es ist schon so etwas wie ein Underdog: Es ist nicht beliebt, die Leute möchten nicht darüber reden. Aber mein Job als Designer ist es, dass sich die Begeisteru­ng von diesem Thema in dem Produkt widerspieg­elt und die Menschen sich damit auseinande­rsetzen. SN: Und wie kann ein Designer sich bei einem technisch so komplexen Produkt einbringen? Als Designer bin ich ja nicht nur für die Optik zuständig, sondern arbeite mit dem Geberit-Team auch an der Ergonomie. Zum Beispiel: Wenn die Toilette so laut ist, dass andere Familienmi­tglieder aufwachen, ist das nervig. Außerdem will ich als Designer eine ökologisch­e Toilette entwickeln, die mit wenig Wasser arbeitet. Jeder kann eine Toilette machen, die fantastisc­h reinigt, dabei aber laut ist und viel Wasser verbraucht. Natürlich kann man auch eine Toilette bauen, die mit sehr wenig Wasser auskommt und leise spült – aber die reinigt wahrschein­lich nicht besonders gut. Beide Varianten gibt es in irgendeine­r Form. „Mera“hingegen ist kompromiss­los. Es spült gründliche­r, ist dabei leiser und verbraucht auch noch wenig Wasser.

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