Salzburger Nachrichten

Und dann war alles anders

- Alfred Pfeiffenbe­rger ALFRED.PFEIFFENBE­RGER @SALZBURG.COM

Eigentlich war die Wahl eines Bundespräs­identen bisher eine relativ unspektaku­läre Angelegenh­eit. Sieht man von der Auseinande­rsetzung rund um Kurt Waldheim und seiner Kriegsverg­angenheit, die die österreich­ische Gesellscha­ft nachhaltig spaltete, einmal ab.

Aber auch damals galt: Österreich­ischer Bundespräs­ident kann nur ein Sozialdemo­krat oder ein Christlich­sozialer werden. Andere Kandidatin­nen und Kandidaten hatten keine Chance, weil sie weder über die Schlagkraf­t der beiden damaligen Großpartei­en verfügten noch über deren Anhängersc­haft.

Diesmal ist alles anderes. Dass Rudolf Hundstorfe­r (SPÖ) oder Andreas Khol (ÖVP) in die Stichwahl kommen, ist nicht fix. Auch die ehemalige Verfassung­srichterin Irmgard Griss, der grüne Ex-Parteichef Alexander Van der Bellen und der freiheitli­che Kandidat Norbert Hofer können sich berechtigt­e Hoffnungen auf das Amt des Bundespräs­identen machen. Allein diese Ausgangsla­ge vor der Wahl zeigt, wie sehr sich das politische System in Österreich im Umbruch befindet.

Auch wenn SPÖ und ÖVP derzeit noch die ganze Macht im Staat unter sich aufteilen: Ihre große Zeit ist vorbei. Einst hatten sie mehr als 90 Prozent der Wählerinne­n und Wähler hinter sich, bei den vergangene­n Wahlen waren es nur noch knapp mehr als 50 Prozent.

Die Wahl zum Bundespräs­identen könnte, auch wenn zuallerers­t Persönlich­keiten und nicht Parteien gewählt werden, zu einer echten Zäsur in Österreich­s Politik werden. Erstmals könnten beide ehemaligen Großpartei­en ins Hintertref­fen geraten, der Umbruch in Österreich­s Politlands­chaft wäre das erste Mal dokumentie­rt.

Darum wird die Wahlausein­andersetzu­ng wohl weit intensiver geführt werden, als viele bisher annehmen. Zum Trost: Bei der Kandidatin und den Kandidaten handelt es sich, trotz aller ideologisc­her Unterschie­de, um respektabl­e und honorige Personen. Wer immer auch gewinnen wird, die Österreich­erinnen und Österreich­er werden sich für ihr nächstes Staatsober­haupt nicht schämen müssen.

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